by Carl Gärtner (1821 - 1875)
Sängerpaß
Language: German (Deutsch)
Und wenn der Sänger wandern will, Da giebt es großern Spaß, Da geht er kühn auf's Paßbureau Und holt sich einen Paß. Er tritt daher der Actuar, Der nimmt den Paßpetenten wahr Und fastet streng sein Amtsgesicht Und spitzt die Feder dann und spricht: "Wer ist der Mann, wie heißt der Mann, Daß ich den Paß ihm schreiben kann?" Viel Müller giebt's im deutschen Land, -- Doch der ward "Fischer" stets genannt. "Wo ist er her, wo wohnt der Mann, Daß weiter den Paß ich schreiben kann?" Die ganze Erde nennt er sein, -- Doch wohnt er zwischen Elb' und Rhein. "Hat er auch einen Heimathschein, Contrasignirt von Elb' und Rhein?" Die Nase ist sein Heimathschein, Oft roth signirt vom Vater Rhein. "Was ist der Mann, was treibt der Mann, -- Daß weiter den Paß ich schreiben kann?" Ein Sänger ist er wohlgemuth, Ist schönen Frau'n von Herzen gut. "Wie viele Jahre zählt der Mann, Daß weiter den Paß ich schreiben kann?" Rechts Hoffnung, links Erinnerung, -- Ein Sängersmann ist immer jung. "Von welcher Größe ist der Mann, Daß weiter den Paß ich schreiben kann?" Sein Lippenpaar reicht allezeit Ans Lippenpaar den ros'gen Maid. "Was für ein Auge hat der Mann, Daß weiter den Paß ich schreiben kann?" Sein Aug' ist klar, doch schiest es sehr, Geht's Dirndel schmuck des Wegs daher. "Wie schaut der Mund vom Sängersmann, Daß weiter den Paß ich schreiben kann?" Der paßt an jeden vollen Krug Und ist zum Küßen groß genug. "Und nun -- wohin denn reist der Mann, Daß weiter den Paß ich schreiben kann?" Aus dumpfer Stub', aus enger Klaus' In's weite grüne Land hinaus! "Und nun -- wie lange reist der Mann, Daß weiter den Paß ich schreiben kann?" Das weiß er nicht, er wünscht darum Ein Päßlein -- in perpetuum. "Sind auch Kennzeichen noch zur Hand, Die man besond're hat genannt?" Mit frohem Sang, mit wenig Geld Durchwandert er die weite Welt, Hat überall für Leid und Lust Ein Liedlein in der Sängerbrust, Sitzt oft im Wirthshaus stundenlang, Und's wird ihm doch nicht einmal bang, Bringt Ständchen oft bei Mond und Stern Und trinkt gern viel und zahlt nicht gern. "Ei, ei -- ein schlimm Kennzeichen das!" Nun denn -- hier ist der Reisepaß!" Und nun zum Sängertag hinaus, Hinaus zu Sang und Klang! Wer solchen Paß sein eigen nennt, Dem wird es nimmer bang. Und tritt die ganze Welt heran Und fragt mit Hast: Wer ist der Mann? In Ruh zieht er der Paß heraus Und weist als Sängersmann sich aus.
Confirmed with Carl Gärtner, Gedichte, Breslau: F. E. C. Leuckart, 1862, pages 107 - 110. Appears in Wein, Wandern, Ade
Authorship:
- by Carl Gärtner (1821 - 1875), "Sängerpaß", appears in Gedichte, in Wein, Wandern, Ade [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Franz Wilhelm Abt (1819 - 1885), "Sängerpaß", op. 85 no. 12, published 1884 [ men's chorus a cappella ], from Ein Sängertag. Ein Cyclus von 13 Gesängen, für vier Männerstimmen, no. 12, Schleusingen: Glaser [sung text not yet checked]
Researcher for this page: Melanie Trumbull
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