by Heinrich Heine (1797 - 1856)
Als Republik war Hamburg nie
Language: German (Deutsch)
Als Republik war Hamburg nie So groß wie Venedig und Florenz, Doch Hamburg hat bessere Austern; man speist Die besten im Keller von Lorenz. Es war ein schöner Abend, als ich Mich hinbegab mit Campen; Wir wollten mit einander dort In Rheinwein und Austern schlampampen. Auch gute Gesellschaft fand ich dort, Mit Freude sah ich wieder Manch alten Genossen, z. B. Chaufepié, Auch manche neue Brüder. Da war der Wille, dessen Gesicht Ein Stammbuch, worin mit Hieben Die akademischen Feinde sich Recht leserlich eingeschrieben. Da war der Fucks, ein blinder Heid, Und persönlicher Feind des Jehovah, Glaubt nur an Hegel und etwa noch An die Venus des Canova. Mein Campe war Amphytrio Und lächelte vor Wonne; Sein Auge stralte Seligkeit, Wie eine verklärte Madonne. Ich aß und trank, mit gutem Ap'tit, Und dachte in meinem Gemüthe: "Der Campe ist wirklich ein großer Mann, Ist aller Verleger Blüthe. "Ein andrer Verleger hätte mich Vielleicht verhungern lassen, Der aber giebt mir zu trinken sogar; Werde ihn niemals verlassen. "Ich danke dem Schöpfer in der Höh', Der diesen Saft der Reben Erschuf, und zum Verleger mir Den Julius Campe gegeben! "Ich danke dem Schöpfer in der Höh', Der, durch sein großes Werde, Die Austern erschaffen in der See Und den Rheinwein auf der Erde! "Der auch Citronen wachsen ließ, Die Austern zu bethauen - Nun laß mich, Vater, diese Nacht Das Essen gut verdauen!" Der Rheinwein stimmt mich immer weich, Und löst jedwedes Zerwürfniß In meiner Brust, entzündet darinn Der Menschenliebe Bedürfniß. Es treibt mich aus dem Zimmer hinaus, Ich muß in den Straßen schlendern; Die Seele sucht eine Seele und späh't Nach zärtlich weißen Gewändern. In solchen Momenten zerfließe ich fast Vor Wehmuth und vor Sehnen; Die Katzen scheinen mir alle grau, Die Weiber alle Helenen. - - - Und als ich auf die Drehbahn kam, Da sah ich im Mondenschimmer Ein hehres Weib, ein wunderbar Hochbusiges Frauenzimmer. Ihr Antlitz war rund und kerngesund, Die Augen wie blaue Turkoasen, Die Wangen wie Rosen, wie Kirschen der Mund, Auch etwas röthlich die Nase. Ihr Haupt bedeckte eine Mütz' Von weißem gesteiftem Linnen, Gefältelt wie eine Mauerkron', Mit Thürmchen und zackigen Zinnen. Sie trug eine weiße Tunika, Bis an die Waden reichend. Und welche Waden! Das Fußgestell Zwey dorischen Säulen gleichend. Die weltlichste Natürlichkeit Konnt man in den Zügen lesen; Doch das übermenschliche Hintertheil Verrieth ein höheres Wesen. Sie trat zu mir heran und sprach: "Willkommen an der Elbe, Nach dreyzehnjähr'ger Abwesenheit - Ich sehe du bist noch derselbe! "Du suchst die schönen Seelen vielleicht, Die dir so oft begegen't Und mit dir geschwärmt die Nacht hindurch, In dieser schönen Gegend. "Das Leben verschlang sie, das Ungethüm, Die hundertköpfige Hyder'; Du findest nicht die alte Zeit Und die Zeitgenössinnen wieder! "Du findest die holden Blumen nicht mehr, Die das junge Herz vergöttert; Hier blühten sie - jetzt sind sie verwelkt, Und der Sturm hat sie entblättert. "Verwelkt, entblättert, zertreten sogar Von rohen Schicksalsfüßen - Mein Freund, das ist auf Erden das Loos Von allem Schönen und Süßen!" Wer bist du? - rief ich - du schaust mich an Wie'n Traum aus alten Zeiten - Wo wohnst du, großes Frauenbild? Und darf ich dich begleiten? Da lächelte das Weib und sprach: "Du irrst dich, ich bin eine feine, Anständ'ge, moralische Person; Du irrst dich, ich bin nicht so Eine. "Ich bin nicht so eine kleine Mamsell, So eine welsche Lorettinn - Denn wisse: ich bin Hammonia, Hamburgs beschützende Göttinn! "Du stutzest und erschreckst sogar, Du sonst so muthiger Sänger! Willst du mich noch begleiten jetzt? Wohlan, so zög're nicht länger." Ich aber lachte laut und rief: Ich folge auf der Stelle - Schreit' du voran, ich folge dir, Und ging' es in die Hölle!
L. Lehrman sets stanza 15
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Authorship:
- by Heinrich Heine (1797 - 1856), no title, appears in Deutschland. Ein Wintermärchen, no. 23 [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
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This text (or a part of it) is used in a work
- by Leonard J[ordan] Lehrman (b. 1949), "Die Göttin ", op. 72 no. 10, published 1984 [male voice and piano], from Ein Wanderer durch Deutschland, nach Heines Wintermärchen (A Wanderer through DEUTSCHLAND after Heine's Wintermärchen), no. 10
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- Also set in English, a translation by Leonard J[ordan] Lehrman (b. 1949) , stanza 15 [an adaptation] ; composed by Leonard J[ordan] Lehrman.
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- ENG English (Leonard J[ordan] Lehrman) , stanza 15 [an adaptation]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
This text was added to the website: 2010-09-14
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