Ein Schlag hat jene Schale einst berühret, in der die selt'ne Blume dort verblüht; kaum hat man einen Klang dabei verspüret, und kaum das Aug' den feinen Riss noch sieht! Und doch der Sprung in dem kristall'nen Glase von Tag zu Tage langsam weiter reißt, so unaufhaltsam wachsend um die Vase, bis er sie wie ein silbern Haar umkreist. Die Blume welkt und stirbt, denn tropfenweise das Wasser aus der Schale sickernd fließt. Noch weiß es niemand, darum naht euch leise und rührt nicht d'ran, nun sie zerbrochen ist. So trifft das Herz auch wohl mit einem Schlage die Hand, die wir geliebt mit treuem Sinn, und es zerreißt stets mehr von Tag zu Tage, und seiner Liebe Blume stirbt dahin! Wohl ahnt die Welt nichts, doch im tiefsten Grunde, da blutet's in dem Herzen heimlich dann. O tastet nicht an die verborg'ne Wunde! Es ist gebrochen, rühret nicht daran!
[Fünf] Lieder und Gesänge für 1 Singstimme mit Pianoforte , opus 46
by Adolf Wallnöfer (1854 - 1946)
1. Die zerbrochene Vase
2. Dithyrambe
Lasst uns toll durch's Leben jagen! Nicht entbehren, nicht entsagen, Nicht nur nippen Mit den Lippen Aus der Freude kargem Becher, Nein, lasset uns wie durst'ge Zecher Schlürfen rasch in ganzen Zügen Aus der Wonne vollen Krügen! Nur dem Heute, nie dem Morgen Gelte unser ganzes Sorgen! Und der Wonnen, Die verronnen, Hold Gedächtnis soll uns lehren, Dass für unser Lustbegehren Allzeit neue Blumen spriessen, Immer neue Quellen fliessen! Lasst uns niemals bang erwägen, Dass im Maass allein der Segen, Nie durch denken Uns beschränken, Sondern wahnberauscht mit Freuden Uns're junge Kraft vergeuden, Und küssen, bis die Lippen bluten, Untergehn in Liebesgluten! So, in Meteorenweise, Wollen uns're Flammengleise Wir durch's Leben Leuchtend weben, Und der Tod mit seinen Schrecken Soll uns keine Furcht erwecken: Lustvereint im letzten Kusse Winken wir ihm selbst zum Grusse!
Text Authorship:
- by Georg Doleschal (1844 - 1894), as Oskar Welten, "Dithyrambe"
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3. Eh ich sah den Rosenstrauch
Eh' ich sah den Rosenstrauch Selbst in der Blüte stehen, Fühlt' ich seinen süßen Duft Lockend in der Abendluft Mir entgegen wehen. So hat deiner Anmut Ruf, Deine Huld und Güte Längst mein lauschend Herz erquickt, Eh' mein Auge noch erblickt' Deiner Schönheit Blüte.
Text Authorship:
- by Georg Scherer (1824 - 1909), "Eh ich sah den Rosenstrauch"
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4. Liebe
Die Liebe gleicht der Welle, die plätschernd sich erhebt; wer weiß, woher sie flutet, wer weiß, wohin sie schwebt, wer weiß, ob sie uns schaukelnd nicht sanft zum Hafen bringt, wer weiß, ob sie als Woge nicht unser Schiff verschlingt.
Text Authorship:
- by Heinrich, Edler von Littrow (1820 - 1895), "Liebe", appears in Aus der See. Gedichte
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Confirmed with Aus der See. Gedichte von Heinrich von Littrow, 2. Aufl., Triest, 1857
5. Ich nehm' es leicht
Ich nehm' es leicht, Ob Schweres auch zu tragen! Halb ist erreicht Ein Ziel, durch frohes Wagen. Wer wird erst stehn und zagen, Die Frische weicht: -- Ob Schweres auch zu tragen, Ich nehm' es leicht! Ich nehm' es leicht, Wie auch die Loose fallen! Die Zeit verstreicht Zu rasch ja mit uns Allen ... In Hütten wie in Hallen Die Locke bleicht; Wie auch die Loose fallen, Ich nehm' es leicht!
Text Authorship:
- by August Silberstein (1827 - 1900), "Ich nehm' es leicht "
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Confirmed with Deutscher Jugendschatz, erster Jahrgang, Leipzig: Genossenschafts-Buchdruckerei. Issue no. 24, 1879, page 192.