Nun bin ich untreu worden der Sonn' und ihrem Schein; die Nacht, die Nacht soll Dame nun meines Herzen sein! Sie ist von düstrer Schönheit, hat bleiches Nornengesicht, und eine Sternenkrone ihr dunkles Haupt umflicht. Heut ist sie so beklommen, unruhig und voller Pein; sie denkt wohl an ihre Jugend - das muß ein Gedächtnis sein! Es weht durch alle Täler ein Stöhnen, so klagend und bang; wie Tränenbäche fließen die Quellen vom Bergeshang. Die schwarzen Fichten sausen und wiegen sich her und hin, und über die wilde Heide verlorene Lichter fliehn. Dem Himmel bringt ein Ständchen das dumpf aufrauschende Meer, und über mir zieht ein Gewitter mit klingendem Spiele daher. Es will vielleicht betäuben die Nacht den uralten Schmerz? Und an noch ältere Sünden denkt wohl ihr reuiges Herz? Ich möchte mit ihr plaudern, wie man mit dem Liebchen spricht - umsonst, in ihrem Grame sie sieht und hört mich nicht! Ich möchte sie gerne befragen und werde doch immer gestört, ob sie vor meiner Geburt schon wo meinen Namen gehört? Sie ist eine alte Sibylle und kennt sich selber kaum; sie und der Tod und wir alle sind Träume von einem Traum. Ich will mich schlafen legen, der Morgenwind schon zieht - ihr Trauerweiden am Kirchhof, stimmt mir mein Schlummerlied!
Zwei Gesänge für eine tiefere Singstimme mit Begleitung des Orchesters , opus 35
by Felix Paul Weingartner (1863 - 1942)
Translations available for the entire opus: FRE
1. Unruhe der Nacht  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Text Authorship:
- by Gottfried Keller (1819 - 1890), no title, appears in Buch der Natur, in Nacht, no. 1
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Anxiété nocturne", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission
2. Stille der Nacht  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Willkommen, klare Sommernacht, die auf betauten Fluren liegt! Gegrüßt mir, goldne Sternenpracht, die spielend sich im Weltraum wiegt! Das Urgebirge um mich her ist schweigend, wie mein Nachtgebet; weit hinter ihm hör' ich das Meer im Geist und wie die Brandung geht. Ich höre einen Flötenton, den mir die Luft von Westen bringt indes herauf im Osten schon des Tages leise Ahnung dringt. Ich sinne, wo in weiter Welt jetzt sterben mag ein Menschenkind - und ob vielleicht den Einzug hält das viel ersehnte Heldenkind. Doch wie im dunklen Erdental ein unergründlich Schweigen ruht, ich fühle mich so leicht zumal und wie die Welt so still und gut. Der letzte leise Schmerz und Spott verschwindet aus des Herzens Grund; es ist, als tät' der alte Gott mir endlich seinen Namen kund.
Text Authorship:
- by Gottfried Keller (1819 - 1890), appears in Buch der Natur, in Nacht, no. 5
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Stéphane Goldet) (Pierre de Rosamel) , "Nuit du silence", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission