Frommes Selbstbewußtsein, stiller Zeuge Unsers innern Lebens, du, nur du Kannst den harten Lebensgang vergüten; Ja, du deckst, mit immer frischen Blüthen, Unsern Weg zum Grabe zu! Mögen Schlangen zischen, Wetter brausen: Ruhig wallt der stille Pilgerlauf Durch des Lebens rauhe Dissonanzen; Jeder Mißton löst im großen Ganzen Sich in Harmonieen auf. Selbstbewußtsein, nur den frechen Sünder Schreckst du aus dem Schooß der Ruh empor! Ach, kein Friede naht sich dem Gefühle, Das dich trübte, und im Weltgewühle Glauben an sich selbst verlor. Selbstbewußtsein, Geist von Gott gegeben, O du lehrst uns, auf zum Himmel schauen! Deine Stimm' ist unser frommes Sehnen; Ruhe, Ruhe! fordern unsre Thränen, Und du sendest uns Vertraun.
Bewußtsein von Elisa v. d. Recke und fünf Elegieen von Tiedge
by Friedrich Heinrich Himmel (1765 - 1814)
1. Bewußtsein  [sung text not yet checked]
Text Authorship:
- by Elisa (Elisabeth) Charlotte Konstantia von der Recke (1756 - 1833), "Bewußtsein", appears in Gedichte der Frau Elisa von der Recke ... herausgegeben von C. A. Tiedge. Mit Compositionen von Himmel und Naumann, in Vermischte Gedichte
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Confirmed with Elisa (Elisabeth) Charlotte Konstantia von der Recke, Gedichte: zweite verbesserte, mit einem Anhange vermehrte, Auflage, ed. by C. A. Tiedge, Halle: Rengerschen Buchhandlung, 1816. Appears in Vermischte Gedichte, pages 156 - 157.
Research team for this page: Bertram Kottmann , Melanie Trumbull
3. Wahrheit  [sung text not yet checked]
Tochter Gottes! Licht und Friede, Huld und Menschlichkeit sind dein. Wer von dir die Liebe schiede, Risse deinen Altar ein. Himmlisch bist du, wie die Güte, Wenn sie Liebesworte spricht; Aufgeschlossen, wie die Blüthe; Sanft erquickend, wie das Licht. Strahl', aus deiner lichten Sphäre, Deines Himmels Wiederschein! Menschenseelen sind Altäre, Die sich deiner Gottheit weih'n. Scheuch' in seine blinde Höhle Das Gespenst der Dunkelheit! Strahl' in jede Menschenseele Lieb' und echte Menschlichkeit! Tiefe, blutig tiefe Wunden Schlug der Wahn, der Sohn der Nacht. Sei auf ewig dann verschwunden Das Gebiet der dunkeln Macht! Wie beim ersten Feierliede, Das die Auferstehung singt, Wird es sein, wenn hell der Friede Durch den Kampf der Nebel dringt; Wenn vom Schönen und vom Guten Sich das Herz nicht mehr verirrt; Wenn die Menschheit nicht mehr bluten, Wenn sich Alles lieben wird; Wenn, was Wahn und Trug ersannen, Längst verstummt', und nicht mehr gilt; Wenn der letzte der Tyrannen Seines Wahnes Fluch erfüllt. Hülle dann ein tiefer Schleier Jede Spur des Jammers ein! Aber groß soll deine Feier, Lebensauferstehung, sein!
Text Authorship:
- by Christoph August Tiedge (1752 - 1841), "An die Wahrheit", appears in Elegien und vermischte Gedichte
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Confirmed with Christoph August Tiedge, Elegieen und vermischte Gedichte, zweites Bändchen, zweite verbesserte Auflage, Halle: in der Rengerschen Buchhandlung, 1814, pages 101 - 103.
Researcher for this page: Melanie Trumbull
4. Die Geburt der Freude  [sung text not yet checked]
Es war ein feierlicher Morgen; Die Sonne ruhte, duftig frisch, Noch tief im Horizont verborgen, Wie Lieb' im rosigen Gebüsch. Schon richtet leise Morgenkühle Die Blumen auf in jedem Kranz, Der Hain, als ob er sinnend fühle, Taucht seine Kronen all' in Glanz. Jetzt fliegen die bestrahlten Thore Des jungen Tages flammend auf; In goldnen Wolken fährt Aurore Mit ihrem Götterzug herauf. Von schönem Purpurlichte glühten Gebirg' und Hügel auf und ab; Die Horen warfen Rosenblüthen Auf die entzückte Flur herab. Und die Natur, in ihrer schönen Begeistrung, weckt des Haines Chor; Und das Entzücken fliegt in Tönen Vom Nachtigallgebüsch empor. Sanft, wie ein Wort, das von den Lippen Der zarte Liebe sich ergiesst, Ertönt es von den rauhen Klippen, Um die ein blauer Äther fliesst. Der Lenz belebt die Felsenmauer Zur schönen, blühenden Gestalt, Und haucht geheimnissvolle Schauer Von Götterahnung in den Wald. Wie trunken, taumeln Laub und Halme, Durch die ein geistig Säuseln fuhr; Und voller rauschten schon die Psalme, Der grossen Hymnen der Natur. Wenn Erd' und Himmel sich verschwistern: Dann, Götterfriede, waltest du; Die Auen horchen, Töne flüstern Den Auen Festgefühlen zu. Erwartung lispelt in den Bächen, Erwarten stehn die Blumen da. Mit leisen Geisterlippen sprechen Die Lüft': "Ein heilig Fest ist nah." Nun wehen süßen Nymphen-Stimmen Durch die beseelte Maienluft, Von fernen Ufern her, und schwimmen Im wallenden Orangen-Duft. Der Friede lauscht im Grün der Blätter, Von Taubenzärtlichkeit umgirrt, Dem Feste, das zu Menschen Götter, Zu Göttern Menschen führen wird. Dort, in des Palmenthales Mitte, Blüht noch, zum Heiligthum geweiht, Die feierliche Bundeshütte Der Unschuld und der Göttlichkeit. Von ihres Gottes Wink getrieben, Erschien die Unschuld, hoch und hehr. -- Ein Leben, das die Götter lieben, O, das verlassen sie nicht mehr! So stand sie, unter Myrtenzweigen Und Palmen, die zur Huldigung Herab zu ihr die Krone neigen, In einer süßen Dämmerung. Jedoch mit leisem Schimmer füllte Des hehrem Gottes Gegenwart Die Stelle, wo die keusch Verhüllte Der höchsten aller Wonnen harrt. Ein Raum! zur weichen Ruh' erlesen, Nahm sie in seinen Blumenschooß: Da wand ein kleines, holdes Wesen Aus ihrem Mutterarm sich los. Ein Götterkind, mit Psyche's Flügeln, Mit einem Blick, voll Sonnenschein; Es hing an allen Rosenhügeln, Und flog mit Liedern durch den Hain. Es erbte, daß es nichts entbehre, Vom Vater Glanz und Herrlichkeit, Und von der Mutter -- jene Zähre Der Wonn' und der Bescheidenheit. Die Charis drückt' es an den Busen, Als eine vierte Charitinn; Die Freude nannten es die Musen, Und schmückten sie mit Liedersinn. Ein Tropfen Quell von Aganippen Wusch ihr die Augen klar und blau, Die Suade goß auf ihre Lippen Der süßen Rede honigthau. Die Liebe trat aus ihren Myrten, Und flößt' ihr Huld und Anmuth ein, Erzogen ward sie unter Hirten, In einem heil'gen Palmenhain. Und, daß sich all ihr Heil vollende, Naht sich die holde Scham, und drückt Die Lilienkelch ihr in die Hände, Der nicht berauscht, nur still entzückt. Doch dürfen nur geweihte Lippen Ambrosisch geistiges Gedüft Aus diesem weißen Kelche nippen; Den Frevler wird der Nectar Gift. Die sanfte Weisheit stand nicht ferne; Sie sprach: "Wenn du das Leben lernst: Dann sieh, o Kind, nach meinem Sterne; Der Freude ziemt der hohe Ernst." Die Musen sangen und die Horen: "Die Erd' ist nicht mehr wild und wüst! Die schöne Freud' ist ihr geboren! Sei, Göttertochter, sei gegrüßt!"
Text Authorship:
- by Christoph August Tiedge (1752 - 1841), "Die Geburt der Freude", appears in Elegien und vermischte Gedichte, in Vermischte Gedichte
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Confirmed with C. A. Tiedge's Elegien und vermischte Gedichte, Zweiter Theil, neueste Auflage, Wien: B. Ph. Bauer, 1816, pages 15 - 20.
Researcher for this page: Melanie Trumbull