Wie nun Alles stirbt und endet, Und das letzte Lindenblatt Müd sich an die Erde wendet In die warme Ruhestatt. So auch unser Tun und Lassen, Was uns [zügellos]1 erregt, Unser Lieben, unser Hassen Sei [zum welken]2 Laub gelegt. Reiner weißer Schnee, o schneie, [Decke]3 beide Gräber zu, Daß die Seele uns gedeihe Still und kühl in Winterruh'! Bald kommt jene Frühlingswende, Die allein die Liebe weckt, Wo der Haß umsonst die Hände Dräuend aus dem Grabe streckt.
Drei Lieder nach Gottfried Keller
by Klaus Miehling (b. 1963)
1. Erster Schnee  [sung text not yet checked]
Authorship:
- by Gottfried Keller (1819 - 1890), "Erster Schnee", first published 1845
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View original text (without footnotes)1 Herzogenberg: "heiß und wild"
2 Herzogenberg: "in's welke"
3 Herzogenberg: "Schneie"
Researcher for this page: Claus-Christian Schuster [Guest Editor]
2. Siehst du den Stern  [sung text not yet checked]
Siehst du den Stern im fernsten Blau, Der [zitternd]1 fast erbleicht? Sein Licht braucht eine Ewigkeit, Bis es dein Aug' erreicht! Vielleicht vor tausend Jahren schon Zu Asche stob der Stern, Und doch [sehn seinen lieblichen Schein Wir dort noch]2 still und fern. Dem Wesen solchen Scheines gleicht, Der ist und doch nicht ist, O Lieb', dein anmutvolles Sein, Wenn du gestorben bist!
Authorship:
- by Gottfried Keller (1819 - 1890), no title, appears in Neuere Gedichte, in Aus der Brieftasche, no. 4
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (John Glenn Paton) , copyright © 2018, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Stéphane Goldet) (Pierre de Rosamel) , "Vois-tu l'étoile", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission
Confirmed with Sämtliche Werke von Gottfried Keller: Romane + Erzählungen + Gedichte + Essays + Tagebücher + Briefe, Musaica Books, 2017.
1 Hausegger, Schoeck: "flimmernd"; Sinding: "schimmernd"2 Hausegger, Schoeck, Sinding: "steht dort sein milder Schein/ Noch immer"
Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Caroline Diehl
3. Meer  [sung text not yet checked]
Der Himmel hängt, wie Blei so schwer, Dicht auf dem wildempörten Meer; Ein englisch Segel, fast die Quer, Schießt wie ein Pfeil darüber her. Ein Messer, so das Meer sich schliff, Da starrt ein blankes Felsenriff Und schlitzt das Engelländerschiff; Das Meer thut einen guten Griff. Viel tausend Bibeln sind die Fracht, Die sinken in die Wassernacht; Schon hat in düstrer Schuppenpracht Das Seevolk sich herbeigemacht. Da wimmelt es von Schlang' und Fisch, Sie sitzen am Korallentisch, Her schießt der Leviathan risch: Was ist das für ein Flederwisch? Die Meerschlang', als die Königin, Kommt auch und blättert her und hin; Sie alle lesen emsig drin Und forschen nach dem dunkeln Sinn. Sie ziehn den Missionär empor Und halten ihm die Bibel vor: Doch der zu schweigen sich verschwor, Das Meer durchbraust sein [taubes]1 Ohr!
Authorship:
- by Gottfried Keller (1819 - 1890), "Im Meer"
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View original text (without footnotes)Confirmed with Gedichte von Gottfried Keller, Heidelberg, Akademische Verlangshandlung von C. F. Winter, 1846, pages 260-261.
1 Miehling: "totes" (this word appears in several 20th century editions of Keller's work, including editions published in 1936, 1958, 1985, and 2012.)Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]