Gebt mir ein Stübchen und ein Tintenfass, Papier und Feder! Tausend wilde Lieder Zieh'n mir durchs Herz und rufen: Schreib uns nieder, Tu deine Liebe kund und deinen Hass! Ein Wandervogel, der kein Heim besaß, Hob ich im Lenz, hob ich, solang' der Flieder In Blüte stand, nie rastend das Gefieder; Durchs grüne Land zog ich ohn' Unterlass. Jetzt aber, wo des Waldes Sänger schweigen, Wo schwer und dicht die grauen Nebel steigen, Jetzt, wo die Blätter welken und das Gras: Jetzt möchte ich im warmen Winkel säumen, Die trübe Zeit am Flackerherd verträumen — Gebt mir ein Stübchen und ein Tintenfass !
3 Gedichte von Martin Drescher
by Emil Nikolaus von Rezniček (1860 - 1945)
1. Gebt mir ein Stübchen!  [sung text checked 1 time]
Authorship:
- by Martin Drescher (1863 - 1920), "Gebt mir ein Stübchen!"
Go to the single-text view
Confirmed with Ohne Herrschaft. Literarisches Beiblatt des 'Wohlstand für alle', 7. Jahrgang, Jänner, 1914.
Researcher for this page: Johann Winkler
2. Bettelleut'  [sung text checked 1 time]
Weißt du noch, Trude, wie wir Hochzeit machten, wie wir gemeinsam unser'n dürft'gen Kram, die sieben Sachen, in die Kammer brachten und Ordnung schufen, bis der Abend kam? Dann setzten wir uns, dass sich Gott erbarme, gleich Waisenkindern ernst und stumm zu Tisch. Auf einmal lagst du lachend mir im Arme, so schlank, so leicht, so'n rechter Flederwisch! Weißt du noch, Trude, wie die Jahre gingen, wie schwer die Lebenswanderschaft uns ward? Wir wollten uns ein mäßig Glück erzwingen; wir zwangen's nicht, die Zeit war allzu hart. Weißt du noch, wenn ich mürrisch, abgetrieben zu dir aufs Lager hundemüde kroch? Wir hatten nichts als unser bisschen Lieben, die wilden Küsse - Trude, weißt du noch? Denkst du der Nacht noch? In des Herzens Tiefe getroffen lag ich matt und krank und wund. Du schwiegst, du lauschtest, dachtest, dass ich schliefe und küsstest mich ganz sanft auf Stirn und Mund. Da wusst' ich's: Wenn uns beiden sonst nichts bliebe als unser nacktes Dasein, einerlei! Wir haben immer noch das bisschen Liebe, wir Bettelleute, Trudel, wir - wir zwei!
Authorship:
- by Martin Drescher (1863 - 1920)
Go to the single-text view
Researcher for this page: Johann Winkler3. Ein Weib  [sung text checked 1 time]
I. Leuchtenden Auges sah sie ihn an, und sie sprach unter Beben: Könnt' ich, ach, könnt' ich, geliebter Mann, doch mein Alles dir geben! Könnt' ich doch alles Glück und Leid, Liebster, mit dir teilen, in der dürftigsten Häuslichkeit dir zur Seite weilen! Könnt' ich zu ewigen Liedern dann deine Seele begeistern, dass das staunende Volk dich fortan zählt zu den Führern und Meistern! II. Und sie schritten hinweg vom Fest, wo unter Freunden sie saßen, eng aneinander gepresst, durch die schlafenden Straßen. Schritten hinaus aufs blühende Feld, jauchzten, lachten und sangen, ließen von schimmernder Märchenwelt beide sich selig umfangen. Stunde auf Stunde den Glücklichen schwand, und sie merkten es nimmer; da, als die Sonne am Himmel stand, trug er das Weib auf sein Zimmer. III. Staunend und ängstlich sah sie umher in der ärmlichen Kammer; diese Stätte, so kahl, so leer, sprach von Elend und Jammer. Diesen Raum ohne Schmuck und Licht sollte sie mit ihm teilen? Nein, sie möchte wahrhaftig nicht eine Stunde hier weilen! Und sie entwand seinen Armen sich, und sie stürzte zur Pforte, hastig sie auf die Straße entwich mit undeutlichem Worte. In dem Stübchen, so kahl wie zuvor, das ihr die Liebe genommen, sitzt noch heut' ein verträumter Tor und erwartet ihr Kommen.
Authorship:
- by Martin Drescher (1863 - 1920)
Go to the single-text view
Researcher for this page: Johann Winkler