Hing an einer goldnen Lenzwolke, Als die Welt noch Kind war Und Gott noch junger Vater war. Schaukelte hei Auf dem Ätherei Und meine Wollhärchen flitterten ringelrei. Neckte den wackelnden Mondgroßpapa, Naschte Goldstaub der Sonnenmama, In den Himmel sperrte ich Satan ein, Und Gott in die rauchende Hölle. Die drohten mit ihrem größten Finger Und haben „klumbumm, klumbumm“ gemacht, Und es sausten die Peitschenwinde; Doch Gott hat nachher zwei Donner gelacht Mit dem Teufel über meine Todsünde. Würde 10 000 Erdglück geben. Noch einmal so gottgeboren zu leben, So gottgeborgen, so offenbar. Ja, ja, Als ich noch Gottes Schlingel war!
Singe, Eva, dein banges Lied. Zyklus für Tänzerin und Tänzer, Sprech- / Singstimme und Kammerensemble
by Konrad Hupfer (b. 1935)
1. Im Anfang  [sung text not yet checked]
Text Authorship:
- by Else Lasker-Schüler (1869 - 1945), "Im Anfang", subtitle: "Weltscherzo", appears in Hebräische Balladen, no. 14, appears in Styx, Gedichte, first published 1902
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Confirmed with Else Lasker-Schüler, Gesammelte Gedichte, Leipzig, Verlag der Weißen Bücher, 1917, page 22.
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2. Genesis  [sung text not yet checked]
Aus Algenmoos und Muscheln schleichen feuchte Düfte ... Frohlockend schmiegt die Erde ihren Arm um meine Hüfte. – Mein Geist hat nach dem Heiligen Geist gesucht –. Und tauchte auf den Vogelgrund der Lüfte Und grub nach Gott in jedem Stein der Klüfte Und blieb doch Fleisch, leibeigen und verflucht. Ich keimte schon am Zweig der Liebesgifte, Als noch der Schöpfer durch die Meere schiffte, Das Wasser trennte von der Bucht. Und alles gut fand, da Er Seine Erde prüfte, Und nicht ein Korn sprießt ungebucht. Doch Seine beiden Menschen trieb Er in die Flucht! Noch schlief der Weltenplan in Seinem Schöpferstifte. Sie fügten sich nicht Seiner väterlichen Zucht. Unbändig wie das Feuer zwischen Stein und Stein Noch ungeläutert zu entladen sich versucht, So trotzten sie!! Wie meines Herzens ungezähmte Wucht.
Text Authorship:
- by Else Lasker-Schüler (1869 - 1945), "Genesis"
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Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Karl Bellenberg [Guest Editor]3. Eva  [sung text not yet checked]
Du hast deinen Kopf tief über mich gesenkt, Deinen Kopf mit den goldenen Lenzhaaren, Und deine Lippen sind von rosiger Seidenweichheit, Wie die Blüten der Bäume Edens waren. Und die keimende Liebe ist meine Seele. O, meine Seele ist das vertriebene Sehnen, Du zitterst vor Ahnungen Und weißt nicht, warum deine Träume stöhnen. Immer liege ich auf deinem Leben, Eine tausendstämmige Erinnerung. Und du bist so blutjung, so adamjung... Du hast deinen Kopf tief über mich gesenkt --.
Text Authorship:
- by Else Lasker-Schüler (1869 - 1945), "Eva", appears in Der siebente Tag, appears in Hebräische Balladen, no. 17, appears in Meine Wunder, Verlag für Kunst Berlin, Amelangsche Buchhandlung, first published 1905
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Ève", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission
4. Erkenntnis  [sung text not yet checked]
Schwere steigt aus allen Erden auf Und wir ersticken im Bleidunst, Jedoch die Sehnsucht reckt sich Und speit wie eine Feuersbrunst. Es tönt aus allen wilden Flüssen Das Urgeschrei, Evas Lied. Wir reißen uns die Hüllen ab, Vom Schall der Vorwelt hingerissen, Ich nackt! Du nackt! – – – – – – – – – – – – – – Wilder, Eva, bekenne schweifender, Deine Sehnsucht war die Schlange, Ihre Stimme wand sich über Deine Lippe, Und biß in den Saum Deiner Wange. Wilder, Eva, bekenne reißender, Den Tag, den Du Gott abrangst, Da Du zu früh das Licht sahst Und in den blinden Kelch der Scham sankst. Riesengroß Steigt aus Deinem Schoß Zuerst wie Erfüllung zagend, Dann sich ungestüm raffend, Sich selbst schaffend Gott-Seele .......... Und sie wächst Über die Welt hinaus, Ihren Anfang verlierend, Über alle Zeit hinaus, Und zurück um Dein Tausendherz Ende überragend ... Singe, Eva, Dein banges Lied einsam, Einsamer, tropfenschwer wie Dein Herz schlägt, Löse die düstere Tränenschnur, Die sich um den Nacken der Welt legt. Wie das Mondlicht wandele Dein Antlitz .... Du bist schön .... Singe, singe, horch, den Rauscheton, Spielt die Nacht auf Deinem Goldhaar schon: »Ich trank atmende Süße Vom schillernden Aste Aus holden Dunkeldolden. Ich fürchte mich nun Vor meinem wachenden Blick – Verstecke mich, Du – Denn meine wilde Pein Wird Scham, Verstecke mich, Du, Tief in das Auge der Nacht, Daß mein Tag Nachtdunkel trage. Dieses taube Getöse, das mich umwirrt! Meine Angst rollt die Erdstufen herauf, Düsterher, zu mir zurück, nachthin, Kaum rastet eine Spanne zwischen uns. Brich mir das glühende Eden von der Schulter! Mit seinen kühlen Armen spielten wir, Durch seine hellen Wolkenreife sprangen unsere Jubel. Nun schnellen meine Zehe wie irre Pfeile über die Erde, Und meine Sehnsucht kriecht in jähen Bogen mir voran.« Eva, kehre um vor der letzten Hecke noch! Wirf nicht Schatten mit Dir, Blühe aus, Verführerin. Eva Du heiße Lauscherin, O, Du schaumweiße Traube, Flüchte um vor der Spitze Deiner schmalsten Wimper noch!
Text Authorship:
- by Else Lasker-Schüler (1869 - 1945), "Erkenntnis", appears in Der siebente Tag
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Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Karl Bellenberg [Guest Editor]5. Das Geheimnis  [sung text not yet checked]
Die runde Ampel hängt wie eine Süßfrucht in der Nische, Des Fensters beide Glasgestalten regen sich, Der Paradiesbaum hinter ihnen bläht sich, Und meine Hände fallen bleich vom Marmortische. Und aus dem Abend tritt ein schwerer Duft, Und unsere Heiterkeiten klingen ferne Hellhin .... wir sind auf einem greisen Sterne – Wir Vier – und schwanken in der Luft. Dein Auge füllt sich ... und ich ahne, wer ich bin – Die zärtlich Glatte schlingt den Arm um Deinen Leib und wittert, Und der im Lichtschein beugt den Kopf, das Schweigen über uns gewittert, Es blickt sich unser Blut um, hin zum Anbeginn. Und siegeslockend schwingt der runde Odem uns ums Leben Am Rand vorbei, der stillste Kreis umkrampft uns. Und Nähe sucht in Nähe zu verkriechen .... Mein Arm hebt wie ein Schwert sich auf vor uns, Versteinte Zeichen reißen sich aus Urgeweben. Und draußen fällt ein bleicher, blinder Regen Und tastet auf in hohlen, toten Fragen. Wir sind von der Schlange noch nicht ausgetragen Und finden das Ziel nicht in ihrem dunklen Bewegen.
Text Authorship:
- by Else Lasker-Schüler (1869 - 1945), "Das Geheimnis", appears in Der siebente Tag, appears in Meine Wunder, first published 1905
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Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Karl Bellenberg [Guest Editor]6. Trieb  [sung text not yet checked]
Es treiben mich brennende Lebensgewalten, Gefühle, die ich nicht zügeln kann. Und Gedanken, die sich zur Form gestalten, Sie greifen mich wie Wölfe an. Ich irre durch duftende Sonnentage . . . Und die Nacht erschüttert von meinem Schrei. Meine Lust stöhnt wie eine Marterklage Und reißt sich von ihrer Fessel frei. Und schwebt auf zitternden, schimmernden Schwingen Dem sonn'gen Thal in den jungen Schoß, Und läßt sich von jedem Mai'nhauch bezwingen Und giebt der Natur sich willenlos.
Text Authorship:
- by Else Lasker-Schüler (1869 - 1945), "Trieb", appears in Styx, Gedichte, first published 1902
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Confirmed with Else Lasker-Schüler: Werke und Briefe, Band 1: Gedichte, Kritische Ausgabe, Erste Auflage, 1996, Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1996, page 11.
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7. Evas Lied  [sung text not yet checked]
Die Luft ist von gährender Erde herb, Und der nackte Märzwald sehnt sich Wie Du – o, ich wollte, ich würde der Frühling, Mit lauter Märchen umblühte ich Dich. Wäre meine Kraft nicht tot! Ich hab all das Nachleid tragen müssen, Und mein tagendes Herzrot Ist von grollenden Himmeln zerrissen. Und Deine Sinne sind kühl, Und Deine Augen sind zwei Morgenfrühen, Und das Blondgewirr auf Deiner Stirn Glüht, als ob Sonnen sie besprühen. Aber Du bist vertrieben wie ich, Weil Du auf das Land meiner Seele sankst, Als das Glück des Erkenntnißtags aus mir schrie Und seines Genießens Todesangst.
Text Authorship:
- by Else Lasker-Schüler (1869 - 1945), "Evas Lied", appears in Der siebente Tag, appears in Meine Wunder, first published 1905
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Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Karl Bellenberg [Guest Editor]8. Dem Verklärten  [sung text not yet checked]
Ach bitter und karg war mein Brot, Verblichen – Das Gold meiner Wangen Bernstein. In die Höhlen schleiche ich Mit den Pantern In der Nacht. So bange mir in der Dämmerungweh ..... Legen sich auch schlafen Die Sterne auf meine Hand. Du staunst über ihr Leuchten – Doch fremd dir die Not Meiner Einsamkeit. Es erbarmen sich auf den Gassen Die wilden Tiere meiner. Ihr Heulen endet in Liebesklängen. Du aber wandelst entkommen dem Irdischen Um den Sinai lächelnd verklärt – Fremdfern vorüber meiner Welt.
Text Authorship:
- by Else Lasker-Schüler (1869 - 1945), "Dem Verklärten", appears in Mein blaues Klavier, in An ihn, first published 1943
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