Ich war im Traum ich weiß nicht, wo, bin noch des sel'gen Traumes froh. Ich dachte, was ich einst schon sann, doch ach, ich weiß es nicht mehr, wann. Es leuchtete - weiß nicht, wovon, es war nicht Stern, nicht Mond, nicht Sonn'. Ein Zauber lenkte meinen Sinn, ich weiß nicht, wo hinaus, wohin. Es wallt um m ich noch immer mehr und heller - ich weiß nicht, woher. Ich spür' den Duft noch - ich weiß nicht, welchen, aus wundersüßen Blumenkelchen. Da tönt es also süß und leise - ich weiß nicht mehr, auf welche Weise, so unbestimmt und doch so zart, ich weiß nicht mehr, auf welche Art. Ich weinte. Das All umgab mich still und stumm. Ich fühlte mich in stolzer Ruh', bestimmt - ich weiß nicht mehr, wozu. Ich sah daselbst - ich weiß nicht, wen, so Hehren hab' ich nie geseh'n. Es sprach zu mir - ich weiß nicht, wer - ein Wort so tief, so innig her. Ich fühlte d'rob - ich weiß nicht, was, Entzücken, Schrecken, Liebe, Hass? Ich schlug - ich weiß nicht mehr, womit - ein Ungeheuer, das mich bestritt. Nun aber bin ich wieder hie in dieser Welt, und weiß nicht, wie!
Vier Melodramen
by Mathilde von Kralik (1857 - 1944)
1. Der Traum
Text Authorship:
- by Richard von Kralik (1852 - 1934)
Go to the general single-text view
Note provided by Johann Winkler: line 1 in stanza 9 is obviously incomplete; I presume the editor of the 1895 edition (available at IMSLP) forgot it, which might happen easily with a melodram. Considering the rhyme, the line reads most likely, "Ich weinte - ich weiß nicht, warum".
Researcher for this page: Johann Winkler
2. Der Hirtenknabe
Hoch vom Felsengipfel, steil und unzugänglich, tönen Engelsklänge hold herbei, und der Hirte hört es mäuschenstill und bänglich, dünkt ihm's doch wie Himmelsmelodei. Und es zieht in aufwärts. Dort im Mondenschimmer sieht er Burgfräulein am Klippenhang. Und er wird nicht müde, will nur immer, immer lauschen diesem zauberhaften Sang. „Sing mit uns, du guter Hirtenknabe, singe!“ „Ach, ihr Schönen, ach, wie könnt' ich hie? Wenn ich bei den Menschen jauchze, guter Dinge, meiner rauhen Stimme spotten sie.“ „Singe nur, o singe! Sieh, zur Gabe geben wir Gesang den Guten. Du bist gut, milde deinen Herden, und dein frommes Streben neiget dir der Geister hohen Mut!“ Und der Hirt versucht es, scheu zuerst und leise, und o Wunder, lieblich stimmt er in den Chor der Maide zur verschlug'nen Weise in den allerschönsten Liederreih'n. Doch der Morgen naht. „Auf, Geselle! Gehe fort von hier, sonst schaffst du selbst dir Not, und verrat' es keinem, wer dich lehrte; wehe, wenn du's tust, es ist dein sich'rer Tod.“ Horch! Der einst so Stumme singt am andern Tage von der Frühe bis zum Abend fort. Wieder tönt's vom Felsen, wieder hallt's von Hage; alle wundern sich - er spricht kein Wort. Nur der Liebsten muss es sein Gesang verkünden; fort ist da der köstliche Gewinn. Voll Verzweiflung klimmt er auf zu jenen Schründen und, den Geistern fluchend, stürzt er hin.
Text Authorship:
- by Richard von Kralik (1852 - 1934)
Go to the general single-text view
Researcher for this page: Johann Winkler3. Die Nonne
Pförtnerin, lass mich ein, denn ich will Nonne werden. Ich hab' ja doch in meiner Pein nicht andern Trost auf Erden. Ich bin ein reiches Kaufmannskind, zu Moskau fern geboren; zur Braut hat mich dort hochgesinnt einst euer Graf erkoren. Der hat sich, wie du weißt, entzweit mit seinem Bruder, dem Wilden; er schlug ihn tot und floh so weit bis hin nach Russlands Gefilden. Mein Vater nahm ihn auf als Knecht, da schwur er mir die Ehe. Nun starb der alte Graf; sein Recht zu schützen, verließ er mich jähe. Wollte mich holen in einem Jahr, ich wartete zwei und dreie, da trug ich's länger nicht fürwahr, ich kam, dass er mich freie. Und als ich kam in dieses Land, vernahm ich Glockengeläute. Der Graf, so hieß es, reicht die Hand der edelsten der Bräute. Noch einmal ihm ins Aug' zu seh'n, trat ich zur Kirchenpforte, doch nun, ihm aus dem Weg zu geh'n, eil' ich zum heil'gen Orte. Reich mir die Schere, dass ich mir abschneide die schönen Haare! Reich mir den Schleier, dass ich hier mich rüste zu der Bahre! Hole den Kämmerer aus dem Haus, dass er meinen Schatz empfange. Er teile ihn den Armen aus; ich hoffe, dass er lange. Was übrig bleibt, reicht für ein Licht zur Ruhe meiner Seele, dass sie sich für den Liebsten nicht in Ewigkeit zerquäle!
Text Authorship:
- by Richard von Kralik (1852 - 1934)
Go to the general single-text view
Researcher for this page: Johann Winkler4. Die drei Lehren der Nachtigall
Ein Vogelsteller fing einmal im Wald die schönste Nachtigall. „Ach, lass mir doch mein freies Leben, will dir dafür drei Lehren geben; drei weise Lehren, die machen dich zum klügsten Manne sicherlich.“ „Wohlan, lieb Vöglein, so sei frei! Nun sag die Lehren nach der Reih'!“ „So höre denn mein erstes Wort: Was du fest hältst, das lass nicht fort! Ein andermal: Tu solches nicht, was man dir auch dafür verspricht, denn wiss', im Eingeweide mein berg' ich den größten Edelstein. Der hätte dich gar reich gemacht, nun bist du um dein Glück gebracht. Doch eh' du dich ertränkst voll Wut, vernimm die zweite Lehre gut: Hast du einmal ein Ding verloren, bereu' es nicht gleich einem Toren, sonst jagt dir neues Unheil zu, darum, mein Freund, bleib nun in Ruh'. Dann höre meine dritte Lehre: Glaub nicht das, was unglaublich wäre, so sparst du dir viel Reu' und Leid. Ich hab' in meinem Eingeweid' nur das, was jeder Vogel hat.“ Und weiter flog die Nachtigall zum Wald mit frohem Liederschall.
Text Authorship:
- by Richard von Kralik (1852 - 1934)
Go to the general single-text view
Note provided by Johann Winkler: the 1895 edition of Kralik's setting appears to be missing a line that would rhyme with the antepenultimate line.
Researcher for this page: Johann Winkler