Da neigt sich die Stunde und rührt mich an mit klarem, metallenem Schlag: mir zittern die Sinne. Ich fühle: ich kann - und ich fasse den plastischen Tag. Nichts war [noch]1 vollendet, eh ich es erschaut, ein jedes Werden stand still. Meine Blicke sind reif, und wie eine Braut kommt jedem das Ding, das er will. Nichts ist mir zu klein, und ich lieb es trotzdem und mal' es auf Goldgrund und groß, und halte es hoch, und ich weiß nicht wem löst es die Seele los...
6 Lieder nach Rilkes Stundenbuch
Song Cycle by Martin Dörnberg (1920 - 2013)
1. Da neigt sich die Stunde  [sung text not yet checked]
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Da neigt sich die Stunde", written 1899, appears in Das Stundenbuch, in 1. Das Buch vom mönchischen Leben , no. 1, first published 1905
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Walter A. Aue) , "The hour is turning", copyright © 2008, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Alors l'heure se penche et me touche", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission
Confirmed with Rainer Maria Rilke, Werke, kommentierte Ausgabe in vier Bänden, Band 1 Gedichte 1895 bis 1910, herausgegeben von Manfred Engel und Ulrich Fülleborn, Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag, 1996, page 157.
1 Omitted by Ebel.Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Sharon Krebs [Guest Editor]
2. Da neigt sich die Stunde  [sung text not yet checked]
Da neigt sich die Stunde und rührt mich an mit klarem, metallenem Schlag: mir zittern die Sinne. Ich fühle: ich kann - und ich fasse den plastischen Tag. Nichts war [noch]1 vollendet, eh ich es erschaut, ein jedes Werden stand still. Meine Blicke sind reif, und wie eine Braut kommt jedem das Ding, das er will. Nichts ist mir zu klein, und ich lieb es trotzdem und mal' es auf Goldgrund und groß, und halte es hoch, und ich weiß nicht wem löst es die Seele los...
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Da neigt sich die Stunde", written 1899, appears in Das Stundenbuch, in 1. Das Buch vom mönchischen Leben , no. 1, first published 1905
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- ENG English (Walter A. Aue) , "The hour is turning", copyright © 2008, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Alors l'heure se penche et me touche", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission
Confirmed with Rainer Maria Rilke, Werke, kommentierte Ausgabe in vier Bänden, Band 1 Gedichte 1895 bis 1910, herausgegeben von Manfred Engel und Ulrich Fülleborn, Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag, 1996, page 157.
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3. Dein allererstes Wort  [sung text not yet checked]
Dein allererstes Wort war: Licht: da ward die Zeit. Dann schwiegst du lange. Dein zweites Wort ward Mensch und bange (wir dunkeln noch in seinem Klange), und wieder sinnt dein Angesicht. Ich aber will dein drittes nicht. Ich bete nachts oft: Sei der Stumme, der wachsend in Gebärden bleibt und den der Geist im Traume treibt, daß er des Schweigens schwere Summe in Stirnen und Gebirge schreibt. Sei du die Zuflucht vor dem Zorne, der das Unsagbare verstieß. Es wurde Nacht im Paradies: sei du der Hüter mit dem Horne, und man erzählt nur, daß er blies.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Das Stundenbuch, in 1. Das Buch vom mönchischen Leben , no. 44
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Das Stunden-Buch, Leipzig : Insel-Verlag, 1918, p.31
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
4. Für dich nur  [sung text not yet checked]
Und du erbst das Grün vergangner Gärten und das stille Blau zerfallner Himmel. Tau aus tausend Tagen, die vielen Sommer, die die Sonnen sagen, und lauter Frühlinge mit Glanz und Klagen, wie viele Briefe einer jungen Frau. Du erbst die Herbste, die wie Prunkgewänder in der Erinnerung von Dichtern liegen, und alle Winter, wie verwaiste Länder, scheinen sich leise an dich anzuschmiegen. Du erbst Venedig und Kasan und Rom, Florenz wird dein sein, der Pisaner Dom, die Troïtzka Lawra und das Monastir, das unter Kiews Gärten ein Gewirr von Gängen bildet, dunkel und verschlungen, – Moskau mit Glocken wie Erinnerungen, – und Klang wird dein sein: Geigen, Hörner, Zungen, und jedes Lied, das tief genug erklungen, wird an dir glänzen wie ein Edelstein. Für dich nur schließen sich die Dichter ein und sammeln Bilder, rauschende und reiche, und gehn hinaus und reifen durch Vergleiche und sind ihr ganzes Leben so allein ... Und Maler malen ihre Bilder nur, damit du unvergänglich die Natur, die du vergänglich schufst, zurückempfängst: alles wird ewig. Sieh, das Weib ist längst in der Madonna Lisa reif wie Wein; es müßte nie ein Weib mehr sein, denn Neues bringt kein neues Weib hinzu. Die, welche bilden, sind wie du. Sie wollen Ewigkeit. Sie sagen: Stein, sei ewig. Und das heißt: sei dein! Und auch, die lieben, sammeln für dich ein: Sie sind die Dichter einer kurzen Stunde, sie küssen einem ausdruckslosen Munde ein Lächeln auf, als formten sie ihn schöner, und bringen Lust und sind die Angewöhner zu Schmerzen, welche erst erwachsen machen. Sie bringen Leiden mit in ihrem Lachen, Sehnsüchte, welche schlafen, und erwachen, um aufzuweinen in der fremden Brust. Sie häufen Rätselhaftes an und sterben, wie Tiere sterben, ohne zu begreifen, – aber sie werden vielleicht Enkel haben, in denen ihre grünen Leben reifen; durch diese wirst du jene Liebe erben, die sie sich blind und wie im Schlafe gaben. So fließt der Dinge Überfluß dir zu. Und wie die obern Becken von Fontänen beständig überströmen, wie von Strähnen gelösten Haares, in die tiefste Schale, – so fällt die Fülle dir in deine Tale, wenn Dinge und Gedanken übergehn.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Das Stundenbuch, in 2. Das Buch von der Pilgerschaft, no. 10
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Das Stundenbuch, Leipzig: Insel-Verlag, 1918.
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
5. So fließt der Dinge Überfluß dir zu  [sung text not yet checked]
Und du erbst das Grün vergangner Gärten und das stille Blau zerfallner Himmel. Tau aus tausend Tagen, die vielen Sommer, die die Sonnen sagen, und lauter Frühlinge mit Glanz und Klagen, wie viele Briefe einer jungen Frau. Du erbst die Herbste, die wie Prunkgewänder in der Erinnerung von Dichtern liegen, und alle Winter, wie verwaiste Länder, scheinen sich leise an dich anzuschmiegen. Du erbst Venedig und Kasan und Rom, Florenz wird dein sein, der Pisaner Dom, die Troïtzka Lawra und das Monastir, das unter Kiews Gärten ein Gewirr von Gängen bildet, dunkel und verschlungen, – Moskau mit Glocken wie Erinnerungen, – und Klang wird dein sein: Geigen, Hörner, Zungen, und jedes Lied, das tief genug erklungen, wird an dir glänzen wie ein Edelstein. Für dich nur schließen sich die Dichter ein und sammeln Bilder, rauschende und reiche, und gehn hinaus und reifen durch Vergleiche und sind ihr ganzes Leben so allein ... Und Maler malen ihre Bilder nur, damit du unvergänglich die Natur, die du vergänglich schufst, zurückempfängst: alles wird ewig. Sieh, das Weib ist längst in der Madonna Lisa reif wie Wein; es müßte nie ein Weib mehr sein, denn Neues bringt kein neues Weib hinzu. Die, welche bilden, sind wie du. Sie wollen Ewigkeit. Sie sagen: Stein, sei ewig. Und das heißt: sei dein! Und auch, die lieben, sammeln für dich ein: Sie sind die Dichter einer kurzen Stunde, sie küssen einem ausdruckslosen Munde ein Lächeln auf, als formten sie ihn schöner, und bringen Lust und sind die Angewöhner zu Schmerzen, welche erst erwachsen machen. Sie bringen Leiden mit in ihrem Lachen, Sehnsüchte, welche schlafen, und erwachen, um aufzuweinen in der fremden Brust. Sie häufen Rätselhaftes an und sterben, wie Tiere sterben, ohne zu begreifen, – aber sie werden vielleicht Enkel haben, in denen ihre grünen Leben reifen; durch diese wirst du jene Liebe erben, die sie sich blind und wie im Schlafe gaben. So fließt der Dinge Überfluß dir zu. Und wie die obern Becken von Fontänen beständig überströmen, wie von Strähnen gelösten Haares, in die tiefste Schale, – so fällt die Fülle dir in deine Tale, wenn Dinge und Gedanken übergehn.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Das Stundenbuch, in 2. Das Buch von der Pilgerschaft, no. 10
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Das Stundenbuch, Leipzig: Insel-Verlag, 1918.
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
6. Du siehst, ich will viel  [sung text not yet checked]
Du siehst, ich will viel. Vielleicht will ich Alles: das Dunkel jedes unendlichen Falles und jedes Steigens lichtzitterndes Spiel. Es leben so viele und wollen nichts, und sind durch ihres leichten Gerichts glatte Gefühle gefürstet. Aber du freust dich jedes Gesichts, das dient und dürstet. Du freust dich Aller, die dich gebrauchen wie ein Gerät. Noch bist du nicht kalt, und es ist nicht zu spät, in deine werdenden Tiefen zu tauchen, wo sich das Leben ruhig verrät.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Du siehst, ich will viel", written 1899, appears in Das Stundenbuch, in 1. Das Buch vom mönchischen Leben , no. 14, first published 1905
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Werke, kommentierte Ausgabe in vier Bänden, Band 1 Gedichte 1895 bis 1910, herausgegeben von Manfred Engel und Ulrich Fülleborn, Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag, 1996, pages 163-164.
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