Als still und kalt, mit sieben Todeswunden, Der Herr in seinem Grabe lag; das Grab, Als sollt es zehn lebendge Riesen fesseln, In eine Felskluft schmetternd eingehauen; Gewälzet, mit der Männer Kraft, verschloß Ein Sandstein, der Bestechung taub, die Türe; Rings war des Landvogts Siegel aufgedrückt: Es hätte der Gedanke selber nicht Der Höhle unbemerkt entschlüpfen können; Und gleichwohl noch, als ob zu fürchten sei, Es könn auch der Granitblock sich bekehren, Ging eine Schar von Hütern auf und ab, Und starrte nach des Siegels Bildern hin: Da kamen, bei des Morgens Strahl, Des ewgen Glaubens voll, die drei Marien her, Zu sehn, ob Jesus noch darinnen sei: Denn Er, versprochen hatt er ihnen, Er werd am dritten Tage auferstehn. Da nun die Fraun, die gläubigen, sich nahten Der Grabeshöhle: was erblickten sie? Die Hüter, die das Grab bewachen sollten, Gestürzt, das Angesicht in Staub, Wie Tote, um den Felsen lagen sie; Der Stein war weit hinweggewälzt vom Eingang; Und auf dem Rande saß, das Flügelpaar noch regend, Ein Engel, wie der Blitz erscheint, Und sein Gewand so weiß wie junger Schnee. Da stürzten sie, wie Leichen, selbst, getroffen, Zu Boden hin, und fühlten sich wie Staub, Und meinten, gleich im Glanze zu vergehn: Doch er, er sprach, der Cherub: «Fürchtet nicht! Ihr suchtet Jesum, den Gekreuzigten -- Der aber ist nicht hier, er ist erstanden: Kommt her, und schaut die öde Stätte an.» Und fuhr, als sie, mit hocherhobnen Händen, Sprachlos die Grabesstätte leer erschaut, In seiner hehren Milde also fort: «Geht hin, ihr Fraun, und kündigt es nunmehr Den Jüngern an, die er sich auserkoren, Daß sie es allen Erdenvölkern lehren, Und tun also, wie er getan»: und schwand.
Drei Lieder nach Heinrich von Kleist
Song Cycle by Stefan Wolpe (1902 - 1972)
1. Der Engel am Grabe des Herrn  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Text Authorship:
- by Heinrich von Kleist (1777 - 1811), "Der Engel am Grabe des Herrn"
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]2. Gleich und Ungleich, eine Legende nach Hans Sachs  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Der Herr, als er auf Erden noch einherging, Kam mit Sankt Peter einst an einen Scheideweg, Und fragte, unbekannt des Landes, Das er durchstreifte, einen Bauersknecht, Der faul, da, wo der Rain sich spaltete, gestreckt In eines Birnbaums Schatten lag: Was für ein Weg nach Jericho ihn führe? Der Kerl, die Männer nicht beachtend, Verdrießlich, sich zu regen, hob ein Bein, Zeigt' auf ein Haus im Feld, und gähnt' und sprach: da unten! Zerrt sich die Mütze übers Ohr zurecht, Kehrt sich, und schnarcht schon wieder ein. Die Männer drauf, wohin das Bein gewiesen, Gehn ihre Straße fort; jedoch nicht lange währts, Von Menschen leer, wie sie das Haus befinden, Sind sie im Land schon wieder irr. Da steht, im heißen Strahl der Mittagssonne, Bedeckt von Ähren, eine Magd, Die schneidet, frisch und wacker, Korn, Der Schweiß rollt ihr vom Angesicht herab. Der Herr, nachdem er sich gefällig drob ergangen, Kehrt also sich mit Freundlichkeit zu ihr: «Mein Töchterchen, gehn wir auch recht, So wie wir stehn, den Weg nach Jericho?» Die Magd antwortet flink: «Ei, Herr! Da seid ihr weit vom Wege irr gegangen; Dort hinterm Walde liegt der Turm von Jericho, Kommt her, ich will den Weg euch zeigen.» Und legt die Sichel weg, und führt, geschickt und emsig, Durch Äcker die der Rain durchschneidet, Die Männer auf die rechte Straße hin, Zeigt noch, wo schon der Turm von Jericho erglänzet, Grüßt sie und eilt zurücke wieder, Auf daß sie schneid, in Rüstigkeit, und raffe, Von Schweiß betrieft, im Weizenfelde, So nach wie vor. Sankt Peter spricht: «O Meister mein! Ich bitte dich, um deiner Güte willen, Du wollest dieser Maid die Tat der Liebe lohnen, Und, flink und wacker, wie sie ist, Ihr einen Mann, flink auch und wacker, schenken.» «Die Maid», versetzt der Herr voll Ernst, «Die soll den faulen Schelmen nehmen, Den wir am Scheideweg im Birnbaumsschatten trafen; Also beschloß ichs gleich im Herzen, Als ich im Weizenfeld sie sah.» Sankt Peter spricht: «Nein Herr, das wolle Gott verhüten. Das wär ja ewig schad um sie, Müßt all ihr Schweiß und Müh verloren gehn. Laß einen Mann, ihr ähnlicher sie finden, Auf daß sich, wie sie wünscht, hoch bis zum Giebel ihr Der Reichtum in der Tenne fülle.» Der Herr antwortet, mild den Sanktus strafend: «O Petre, das verstehst du nicht. Der Schelm, der kann doch nicht zur Höllen fahren. Die Maid auch, frischen Lebens voll, Die könnte leicht zu stolz und üppig werden. Drum, wo die Schwinge sich ihr allzuflüchtig regt, Henk ich ihr ein Gewichtlein an, Auf daß sies beide im Maße treffen, Und fröhlich, wenn es ruft, hinkommen, er wie sie, Wo ich sie alle gern versammeln möchte.»
Text Authorship:
- by Heinrich von Kleist (1777 - 1811), "Gleich und Ungleich", appears in Zwei Legenden nach Hans Sachs , no. 1
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]3. Die beiden Tauben, eine Fabel nach La Fontaine  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Zwei Täubchen liebten sich mit zarter Liebe. Jedoch, der weichen Ruhe überdrüssig, Ersann der Tauber eine Reise sich. Die Taube rief: «Was unternimmst du, Lieber? Von mir willst du, der süßen Freundin, scheiden: Der Übel größtes, ists die Trennung nicht? Für dich nicht, leider, Unempfindlicher! Denn selbst nicht Mühen können, und Gefahren, Die schreckenden, an diese Brust dich fesseln. Ja, wenn die Jahrszeit freundlicher dir wäre! Doch bei des Winters immer regen Stürmen Dich in das Meer hinaus der Lüfte wagen! Erwarte mindestens den Lenz: was treibt dich? Ein Rab auch, der den Himmelsplan durchschweifte, Schien mir ein Unglück anzukündigen. Ach, nichts als Unheil zitternd werd ich träumen, Und nur das Netz stets und den Falken sehn. Jetzt, ruf ich aus, jetzt stürmts: mein süßer Liebling, Hat er jetzt alles auch was er bedarf, Schutz und die goldne Nahrung, die er braucht, Weich auch und warm, ein Lager für die Nacht, Und alles Weitre, was dazu gehört?» -- Dies Wort bewegte einen Augenblick Den raschen Vorsatz unsers jungen Toren; Doch die Begierde trug, die Welt zu sehn, Und das unruhge Herz, den Sieg davon. Er sagte: «Weine nicht! Zwei kurze Monden Befriedigen jedweden Wunsch in mir. Ich kehre wieder, Liebchen, um ein kleines, Jedwedes Abenteuer, Zug vor Zug, Das mir begegnete, dir mitzuteilen. Es wird dich unterhalten, glaube mir! Ach, wer nichts sieht, kann wenig auch erzählen. Hier, wird es heißen, war ich; dies erlebt ich; Dort auch hat mich die Reise hingeführt: Und du, im süßen Wahnsinn der Gedanken, Ein Zeuge dessen wähnen wirst du dich.» -- Kurz, dies und mehr des Trostes zart erfindend, Küßt er, und unterdrückt was sich ihm regt, Das Täubchen, das die Flügel niederhängt, Und fleucht. -- Und aus des Horizontes Tiefe Steigt mitternächtliches Gewölk empor, Gewitterregen häufig niedersendend. Ergrimmte Winde brechen los: der Tauber Kreucht untern ersten Strauch, der sich ihm beut. Und während er, von stiller Öd umrauscht, Die Flut von den durchweichten Federn schüttelt, Die strömende, und seufzend um sich blickt, Denkt er, nach Wandrerart, sich zu zerstreun, Des blonden Täubchens heim, das er verließ. Und sieht erst jetzt, wie sie beim Abschied schweigend Das Köpfchen niederhing, die Flügel senkte, Den weißen Schoß mit stillen Tränen netzend: Und selbst, was seine Brust noch nie empfand, Ein Tropfen, groß und glänzend, steigt ihm auf. Getrocknet doch, beim ersten Sonnenstrahl, So Aug wie Leib, setzt er die Reise fort, Und kehrt, wohin ein Freund ihn warm empfohlen, In eines Städters reiche Wohnung ein. Von Moos und duftgen Kräutern zubereitet, Wird ihm, ein Nest, an Nahrung fehlt es nicht, Viel Höflichkeit, um dessen, der ihn sandte, Wird ihm zuteil, viel Güt und Artigkeit: Der lieblichen Gefühle keins für sich. Und sieht die Pracht der Welt und Herrlichkeiten, Die schimmernden, die ihm der Ruhm genannt, Und kennt nun alles, was sie Würdges beut, Und fühlt unsel'ger sich, als je, der Arme, Und steht, in Öden steht man öder nicht, Umringt von allen ihren Freuden, da. Und fleucht, das Paar der Flügel emsig regend, Unausgesetzt, auf keinen Turm mehr achtend, Zum Täubchen hin, und sinkt zu Füßen ihr, Und schluchzt, in endlos heftiger Bewegung, Und küsset sie, und weiß ihr nichts zu sagen -- Ihr, die sein armes Herz auch wohl versteht! Ihr Sel'gen, die ihr liebt; ihr wollt verreisen? O laßt es in die nächste Grotte sein! Seid euch die Welt einander selbst und achtet, Nicht eines Wunsches wert, das übrige! Ich auch, das Herz einst eures Dichters, liebte: Ich hätte nicht um Rom und seine Tempel, Nicht um des Firmamentes Prachtgebäude, Des lieben Mädchens Laube hingetauscht! Wann kehrt ihr wieder, o ihr Augenblicke, Die ihr dem Leben einzgen Glanz erteilt? So viele jungen, lieblichen Gestalten, Mit unempfundnem Zauber sollen sie An mir vorübergehn? Ach, dieses Herz! Wenn es doch einmal noch erwarmen könnte! Hat keine Schönheit einen Reiz mehr, der Mich rührt? Ist sie entflohn, die Zeit der Liebe --?
Text Authorship:
- by Heinrich von Kleist (1777 - 1811), "Die beiden Tauben" [an adaptation]
Based on:
- a text in French (Français) by Jean de La Fontaine (1621 - 1695), "Les Deux Pigeons", appears in Fables
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