by Luise von Plönnies, née Leisler (1803 - 1872)
Agnete
Language: German (Deutsch)
Es schaute in die Wogen Die Maid im Abendschein, Da hat der Neck gezogen Sie in die Fluth hinein. Sie sitzt in klaren Hallen, Auf goldigem Bernsteinthron, Und trägt von rothen Korallen Eine steinerne Dornenkron. Die Wasser [rauschen]1 und rauschen Um all die todte Pracht; "Ach könnt' ich [nur]2 einmal lauschen, Wann morgens der Hain erwacht!" Der Mond scheint in die blauen Wellen mit sanftem Licht: "Ach könnt' ich noch einmal schauen Meiner Mutter Angesicht!" Die Strudel rollen und tosen In wunderbar tiefem Sang. "Ach hört' ich noch einmal der Orgel, Der Kirchenglocken Klang!" Sie stürzt dem Neck zu Füßen: »Ach laß mich nur einmal gehn, Mein Mütterlein zu grüßen, Die Erde wieder zu sehn.« Da spricht der Neck: »Es weinen Gewiß die Kinder sehr, Eh Tag und Nacht sich einen, Kehre zurück ins Meer.« Sie ist heraufgestiegen Aus der kristallnen Gruft, Läßt froh die Blicke fliegen In Gottes freie Luft. Sie grüßt den Strand entzücket, Wo sie als Mägdlein saß, Hat an die Brust gedrücket Das schwanke Halmengras. Das Thürmlein der Kapelle Winkt hoch vom Fels am Meer, Sein Glöcklein klinget helle Im Lande weit umher. Und sanfter heut erschallet Der fromme Glockenton, Im langen Zuge wallet Das Volk zur Kirche schon. Es gehn mit dem Liederbuche Die Jungfrau'n in's Gotteshaus, Und jede auf weißem Tuche Trägt einen Nelkenstrauß. Sie folget zur Kapelle Und zagt hinein zu gehn, Doch auf der Kirchenschwelle Sieht sie die Mutter stehn. »Ach liebes Kind, Agnete, Sag an, wo kommst du her?« »O Mutter, Mutter bete, Ich war im blauen Meer.« Sie stürzet auf die Knie Und weinet bitterlich: »Du heilige Marie, Ach bitte du für mich!« Und heller, und heller quollen Die Hymnen, der Orgel Sang, Und dumpfer und dumpfer grollen Die Wasser im starken Drang. Da sprengt auf schaumigem Rosse Über die wogende Bahn, Von stäubendem Gischt [umflogen]3 Der Neck den Felsen hinan. Er tritt in die heilige Halle, Die Engel und Seraphim, Die Heiligenbilder alle Sie wenden sich [von]4 ihm. Er spricht mit zürnendem Munde: »Du weiltest lange genug, Vergißt du, daß tief im Grunde Dein Leben Wurzeln schlug?« »Und hat es Wurzeln geschlagen, So war es doch liebeleer, Hier athm' ich Leben und Liebe Ich folge dir nimmermehr!« Seine Augen wie Blitze leuchten, Wild stürmet der Neck hinaus Und stürzt sich vom Fels in der feuchten Tiefe wogenden Graus.
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Confirmed with Neue Gedichte von Luise von Ploennies, Verlag der Hofbuchhandlung von G. Jonghaus, Darmstadt, 1851, pages 35-39.
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
Confirmed with Neue Gedichte von Luise von Ploennies, Verlag der Hofbuchhandlung von G. Jonghaus, Darmstadt, 1851, pages 35-39.
1 Loewe: "wogen"
2 Loewe: "noch"
3 Loewe: "umfloßen"
4 Loewe: "ab von"
Text Authorship:
- by Luise von Plönnies, née Leisler (1803 - 1872), "Agnete", appears in Neue Gedichte, in 1. Balladen, Romanzen [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Carl Loewe (1796 - 1869), "Agnete", op. 134 [ voice and piano ], note: the setting is split into four sections: stanzas 1-5, stanzas 6-7, stanzas 8-15, and stanzas 16-21 [sung text checked 1 time]
Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Elisabeth Siekhaus) , "Agnete", copyright © 2008, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Guy Laffaille) , "Agnete", copyright © 2017, (re)printed on this website with kind permission
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
This text was added to the website between May 1995 and September 2003.
Line count: 84
Word count: 389