by Kurt Tucholsky (1890 - 1935)
Sehnsucht nach der Sehnsucht
Language: German (Deutsch)
Erst wollte ich mich dir in Keuschheit nahn. Die Kette schmolz. Ich bin doch schließlich, schließlich auch ein Mann, und nicht von Holz. Der Mai ist da. Pirol, das Vöglein, pfeift. Es geht was um. Und wer sich dies und wer sich das verkneift, der ist schön dumm. Denn mit der Seelenfreundschaft - liebste Frau, hier dies Gedicht zeigt mir und Ihnen treffend und genau: es geht ja nicht. Es geht nicht, wenn die linde Luft weht und die Amsel singt - wir brauchen alle einen roten Mund, der uns beschwingt. Wir brauchen alle etwas, das das Blut rasch vorwärtstreibt - es dichtet sich doch noch einmal so gut, wenn man beweibt. Doch heller noch tönt meiner Leier Klang, wenn du versagst, was ich entbehrte öde Jahre lang - wenn du nicht magst. So süß ist keine Liebesmelodie, so frisch kein Bad, so freundlich keine kleine Brust wie die, die man nicht hat. Die Wirklichkeit hat es noch nie gekonnt, weil sie nichts hält. Und strahlend überschleiert mir dein Blond die ganze weite Welt.
Authorship:
- by Kurt Tucholsky (1890 - 1935) [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Hanns Eisler (1898 - 1962), "Sehnsucht nach der Sehnsucht" [text verified 1 time]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
This text was added to the website between May 1995 and September 2003.
Line count: 32
Word count: 174