Sühne
Language: German (Deutsch)
Ich will ihn erleiden, den bittren Tod, Ich will die Sühne tragen, Ich habe keim Kreuzweg im Morgenrot, Meinen Bruder erschlagen. Wie loderndes Feuer war sein Weib, Blauäugig und dunkel von Haaren, Schwanweiß erglänzte ihr schöner Leib, Und wie Blut ihre Lippen waren. Und so heiß und so schwül war die Frühlingsnacht, So betäubend der Duft der Flieder, So lockend hat sie mich angelacht Wieder und immer wieder. Sie sprach mir von Liebe und Liebeslust, Und ich bin niedergesunken Und habe an ihrer weißen Brust den Trank der Liebe getrunken. Sie küßte mich wild und küßte mich lang, Und hörte nicht auf zu bitten, Bis ich im Mondschein die Straße entlang Hinaus auf die Heide geritten. Noch brannte auf meinen Lippen ihr Kuß, Ihr Lied mir klang in den Ohren, Und silbern glänzten an meinem Fuß Die Räder der breiten Sporen. Am Kreuzweg vor unseres Heilands Bild Kniet' ich zum Beten nieder. Doch lockend klangen so süß, so wild Im Ohre mir ihre Lieder. Mir war, als ob ihres Kleides Saum An mir vorüberrauschte, Als ob mit ihr im düstern Raum feurige Küsse tauschte. So lag ich am Kreuz, meine Seele rang, Im Osten begann es zu tagen, Da zog mein Bruder die Straße entlang, Da hab' ich ihn erschlagen. Ich raste zurück in wilder Lust Ihren Küssen entgegen Und habe an ihrer weißen Brust Im Frühlichtscheine gelegen. Ihre Lippen waren wie Blut so rot Und so lüstern nach meinen Küssen, Und heute werd' ich den bitteren Tod Der Sühne tragen müssen.
Authorship:
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Christian Sinding (1856 - 1941), "Sühne", op. 109 (Vier Balladen und Lieder) no. 1, published 1911 [ voice and piano ], Leipzig: Breitkopf & Härtel [sung text checked 1 time]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
This text was added to the website: 2011-04-15
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