
Ihr Ringe, drei Ringe, um Einen Finger, und jeder ein toter, gebrochener Schwur, und seid mir so heilig, ihr flimmernden Dinger, seid mir ein treuer, still wachsender, neuer, einziger, willig gesprochener Schwur. Was glühst du, Rubin, von versunkenen Stunden? Was blickst du, Perle, so bleich im Gold? Du Reif dazwischen, schlicht gewunden, was schimmerst du so scheu und hold? Ach! immer die Treue treuwillig versprochen, und immer treuwillig die Treue gebrochen. So hat es das Leben, das Leben gewollt. Ihr Ringe, drei Ringe, an meiner Linken, und dennoch ein neuer dämmernder Schwur? O Abendsonne, wie trüb dein Blinken, und Nebel winken, bald wirst du sinken. Du blasse Perle, wie wars doch nur? * War wohl ein Morgen, frühlingsmild; die alte Kirche stand voll Glanz. Blaß flammte ums Erlöserbild der Osterkerzen weißer Kranz. Der Orgel Hallelujah quoll; uns war das Herz von Gott so voll, das Kinderherz, voll Bebens. O Schwur des Glaubens! O Gebot: nun seid getreu bis in den Tod, dann wird euch die Krone des Lebens, die ewige Krone des Lebens. Und mit der Mutter still durchs Feld, wie glänzte weit, wie glänzte grün und war ein Sonntag all die Welt! Die Weidenbüsche wollten blühn, ein Zweiglein brach der Knabe. Doch feierlich im leeren Land als wie ein Kreuz die Mühle stand; und sinnend weiter still feldein. O Försterhaus am Eichenhain! O Vaterwort-und-Gabe! O Gartenzaun am Eichenhain! da nahm mein Vater meine Hand und legte einen Ring hinein, der hatte einen schwarzen Stein, drin eine goldne Krone stand, und sprach zu seinem Sohne, und all sein Blick war Ein Gebot: Nun sei dir treu bis in den Tod, dann wird dir die Krone zum Lohne, des Lebens Siegeskrone! * Ihr Ringe, drei Ringe, an meiner Linken, und jeder ein neuer, ein toter Schwur; was wird so zitternd euer Blinken?-- Du trübe Sonne laß dein Winken. O weite Flur! Die Nebel gleißen wie blutende Wunden; ich habe die Freiheit, die Freiheit gewollt! O Sonnenblut. O gleißend Gold. Was glühst du, Rubin, von versunkenen Stunden? * Es war ein Mittag, frühlingswild. Von der Bergeskrone, rot zuckend, kroch die Wolkenschlange ins Gefild. Der Donner jagte von Joch zu Joch. Stürmisch weinte das Dunkel, ein stürzendes Meer. Triefend sausten die Bäume; und grell und spitz, Licht schleudernd, über uns, um uns her -- mein bebendes Mädchen, weißt du noch? -- flocht flatternde Netze Blitz auf Blitz. Und die Bäume bogen und schlugen sich, blendend nieder krachte der steile Strahl und warf im Taumel irr dich und mich zu Boden, glutschwer, ein flackernder Wall; und da lag im Taumel irr Brust an Brust, jung hing und glutschwer Mund an Mund, und Auge in Auge im Moose, und rauschend schluchzte der Regen in unsre Lust, stumm lohte der feuergetaufte Bund. Und dann auf! Oh, standest du bleich und bang. Und da hab ich den Donner des Himmels bedroht, von der Faust mir peitschend das Wasser sprang, durch die sausenden Bäume mein Lachen klang: o lauter, mein Bruder, dein wild Gebot! Und riß mir vom Finger den Knabenring: ich bin mir selbst mein Herr und Gott! und nahm deine zitternde Hand, dran hing im Blitzlicht funkelnd der rote Rubin, und vom Himmel gebadet, vom Himmel umloht, -- ich fühlte dich weinen, ich sah dich glühn -- schwur ich: gib her! sei treu! nimm hin! * Ihr Ringe, drei Ringe, um Einen Finger, Und jeder ein doppelt gebrochener Schwur. Wie der Nebel raucht! ein brennender Zwinger vermauert die fliehende Sonnenspur. Noch glänzt ein stiller Streifen Gold; ich habe freiwillig die Freiheit verschworen. Was glimmst du schlichter Reif so hold? Die Freiheit verschworen, die Freiheit verloren; ich habe die Liebe, die Liebe gewollt. * Es kam ein Abend, frühlingsmild; bang steht, in Schleiern, bleich, die Braut. Ernst rauschen die Geigen; herb duftend schwillt der Myrte grünes, weißblühendes Kraut. Und Andacht wird, und Schweigen; nur durchs Fenster flüsterte der Mai. Und nun: nun will ich stolz und frei uns segnen -- da: voll Bebens, horch, die Stimmen der Freunde -- o Lied, o Schwur o ihr rauschenden Geigen, o Gebot -- blaß zuckten die Kerzen im Abendrot -- : Nun seid getreu bis in den Tod, dann wird euch die Krone des Lebens! Da flocht ich ihr still vom Haupt den Kranz, still küßte ich ihr dunkles Haar; glutüberhaucht vom fernen Glanz hielt ihre Hand ein Rosenpaar, still zitterten die Blüten. Und hoch ins schweigende Gemach hob ich den goldnen Ring und sprach und sprach -- wie war das Herz mir weit, von Glauben weit und Seligkeit--: Nun will ich Dein sein alle Zeit, Ein Leib, Eine Seele, in Glück und Leid dein Gott, meine Welt, dich hüten. Und draußen wiegte ein Lindenbaum goldgrün sein jung Gefieder; sanft glühte der Rosen rot schwellender Saum, und durch den Schimmer, den Duft, den Traum rauschten die Geigen wieder. Da gab sie mir an meine Hand, an meine Rechte zurück mein Pfand, den Ring mit der leuchtenden Krone. Stumm bat ihr Blick voll seliger Not: Dann wird uns die Krone zum Lohne, des Lebens Friedenskrone. * Ihr Ringe, drei Ringe, an meiner Linken: was blickst du, Perle, so bleich im Gold? O Sonne, du müde, nun magst du sinken; o schwere Pflicht, wie schienst du hold! Gelb taucht ins Moor der letzte Funken, das Land wird fahl. der Nebel rollt. Ich habe die Wahrheit, Klarheit gewollt. Ich war der Liebe so satt -- so trunken -- * Und eine Nacht kam, frühlingswild, kam schwül. Ums Licht der Lampe lag, vom lauten Regen dunstverhüllt, das Dunkel dumpf und dufterfüllt; hohl scholl und hart das Laubendach. Es klang so einsam, was ich sprach von meinem großen Überdruß; es klang so bang, als ob ich log, als ich mich flüsternd zu dir bog. Und ich hielt deine Hand. Weißt du wohl noch, du blasse Andre?! Wolltest du's? Wie war sie doch von Arbeit rauh! Wie saßest du so scheu und still mit deinen Augen groß und grau, als horchtest du dem Tropfentau, der durch die Epheublätter fiel. Und ich hielt deine Hand. Und es war so schwül. Was ließest du es denn geschehn?! Ich wollte dir nur ins Innre sehn, in diese Augen stolz und stumm. Du aber -- ? Und wir sanken um. Die Epheublätter zitterten. Ich nahm dein einziges Eigentum. Und dann: im dunkeln Grase hing und flimmerte etwas wie Gold. Das war dein lieber Perlenring, der war dir in den Sand gerollt. Und da hast du trotzig aufgelacht, von deinem Vater war auch er; blaß langtest du ihn zu mir her, aus deinen Augen sah die Nacht, und nahmst meine Hand -- besudelt glomm der Kronring dran -- und während hohl der Regen rauschte wie ein Strom, sprachst du: vergiß! nimm! gieb! leb wohl! * Ihr Ringe, drei Ringe, und doch der neue, aus scheuer Seele bang dämmernde Schwur? Dahin der Glaube, dahin die Treue; o dunkle Flur. Starr durch die kahlen Pappeln schauen die Sterne ins verhüllte Feld. Klarheit?? Im Moor die Nebel brauen. O ja: die Erde ist voll Grauen. Doch -- voll von Sonne steht die Welt! Raum! Raum! brich Bahnen, wilde Brust! Ich fühls und staune jede Nacht, daß nicht blos Eine Sonne lacht; das Leben ist des Lebens Lust! Hinein, hinein mit blinden Händen, du hast noch nie das Ziel gewußt; zehntausend Sterne, aller Enden zehntausend Sonnen stehn und spenden [uns] 1 ihre Strahlen in die Brust! Uns in die Brust . . . Was willst du, Schweigen, du graue Erde, immer noch? Und ich sehe die Krone, die eine, steigen -- ihr Ringe, drei Ringe, wie war es doch? -- die Krone steigen, die Krone sinken, wie eine Sonne sinken, winken: mir nach! nichts ist vergebens! fest steht mein flammendes Gebot: aus Abendrot wächst Morgenrot! dem bist du treu bis in den Tod, du trägst die Krone des Lebens: die Schöpferkrone des Lebens!
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View original text (without footnotes)Confirmed with: Richard Dehmel Gesammelte Werk in drei Bänden, Erster Band, Berlin: S. Fischer Verlag, 1913, pages 12-19.
Note: Rössler's setting begins in the penultimate stanza on line 187 ("Raum! Raum! brich Bahnen, wilde Brust!") and goes to the end of the stanza (line 195).1 Rössler: "dir"
Authorship:
- by Richard Fedor Leopold Dehmel (1863 - 1920), "Drei Ringe ", subtitle: "Elegie", appears in Weib und Welt [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Richard Rössler (1880 - 1962), "Raum! Raum! brich Bahnen, wilde Brust!", op. 18 (Vier Lieder) no. 1, published [1908] [ voice and piano ], Berlin, Verlag von Kies und Erler [sung text checked 1 time]
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- ENG English (Sharon Krebs) , copyright © 2015, (re)printed on this website with kind permission [an adaptation]
Researcher for this text: Sharon Krebs [Guest Editor]
This text was added to the website: 2015-04-09
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