by Joachim Lorenz Evers (1758 - 1807)
Translation
Was ist der Mensch?
Language: German (Deutsch)  after the German (Deutsch)
Was ist der Mensch? -- halb Thier, halb Engel, klein, elend, dürftig, -- herrlich, groß! Was ist sein Schicksal? -- tausend Mängel, und tausend Güter sind sein Loos. Ihm blühen tausend schöne Freuden, auch manche, die zu früh verdirbt; ihn quälen mannigfache Leiden, er reift, wird alt, entnervt, und stirbt. Er predigt Weisheit, singt die Tugend, und drängt sich, Weihrauch ihr zu streu'n; vergisst sich selbst, verschweigt die Jugend, und schläft im Arm des Lasters ein -- träumt glücklich sich, und öd' und wüste erwacht er, schauert und bereut, kämpft männlich gegen alle Lüfte, und fühlt sich voll Gebrechlichkeit. Du Meisterstück aus Göttes! Händen, wär dies dein einzig Leben nur? sollt' deiner Schöpfung Zweck hier enden? bliebst du ein Räthsel der Natur? Nein -- Gott schuf dich für Ewigkeiten, für bess'res Glück, für bess'res Licht, gab Mängel und Vollkommenheiten zur Prüfung dir, zum Unterricht. Das Straucheln in den Kinderjahren soll einst dem Mann Erfahrung sein. Nur nach den größesten Gefahren kann Ruh und Glück uns ganz erfreu'n. Wenn wir mit umbefangnen Blicken, nach Wahrheit, Licht und Weisheit späh'n, erst dann fühlt unser Geist Entzücken, wenn wir sie ohne Täuschung seh'n. Ich seh' der Schöpfung große Fülle, erstaun' und sink' anbetend hin -- seh', daß ich, in der schönsten Hülle, der Erde erstes Wesen bin. Schnell schafft die Phantasie mir Flügel, führt mich zu neuen Welten hin, und schnell bedeckt ein Erdenhügel mich, der ich Staub vom Staube bin. Unglaublich viel -- unglaublich wenig -- voll Mängel, und voll Schöpfungskraft, der Meere und der Länder König, der Sklave jeder Leidenschaft. -- So steigt der Mensch zur stolzen Größe, und trotz Natur, und Zeit und Glück; und sinkt in Fesseln, darbt in Blöße, und setzt sich unters Thier zurück. Dort, wo sich hehre Sonnen drehen, soll ich des Himmels Seligkeit, soll ich des Schöpfers Größe sehen, umstrahlt mich Licht und Herrlichkeit; der Nebel flieht, mein Blick wird heiter, ich schau, was unerforschlich schien. Mit Engelskräften eil' ich weiter -- und Sonnen, und Planeten flieh'n.
Note: Ries's score erroneously indicates Schiller as the poet.
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It is based on
- a text in German (Deutsch) by Joachim Lorenz Evers (1758 - 1807), no title
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Ferdinand Ries (1784 - 1838), "Was ist der Mensch?", op. 7 no. 1, published 1810 [voice and piano], Bonn, Simrock [text verified 1 time]
Researcher for this page: Melanie Trumbull
This text was added to the website: 2015-09-07
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