by Johann Heinrich Voss (1751 - 1826)
Getrieben von der grausen Reimsucht
Language: German (Deutsch)
Getrieben von der grausen Reimsucht, Irrst du umher, und brummst voll Angst, Gleichwie ein Bär, der Honigseim sucht, Bis du den neuen Reim erlangst. Bald suchst du Hülfe bei dem Aga Der Jungfern am Parnassusborn, Und bald hofierst du Deutschlands Braga Mit rauhem Auerochsenhorn. Des Horns Gebrüll brüllt jetzt vom Harzwald In's Wuthgeheul des Weserstroms, Der schwarz, von Varus Blute schwarz wallt; In's Angstgeheul der Hügel Roms. Jetzt fei'rt Apollons goldne Tuba, Kronions donnerrothe Faust, Sein Blitzgespann mit wehnder Juba, Vor dessen Huf der Fels zergraust. Oft, statt Apollons, treibt dich Amor, Daß du, ein Herold Cypria's, Des jungen Herrn und seiner Dam' Ohr Sanft kitzelst durch sinnreichen Spaß. Oft liedelst froh, mit Amorino, Des Schmetterlings, des Steckenpferds, Und singst zum Knabenviolino Empfindsamkeit und gutes Herz. Wann drauf zur Palmenhöhe Sions Du stolz im Cherubwagen trabst, Und tief zum Heidenthum Kronions Hohnlachst in Demuth, gleich dem Papst; Dann bitterst du dein Lied mit Wermuth, Und ächzest, wie vom Thurm der Kauz, Wie Türk, dein Haushofhund, voll Schwermuth Aufheult zum Mond mit hoher Schnauz'. Warum doch marterst du und grillst dich? Der Ruhm, wonach du ringst, ist Luft, Ist Seifenblase, steiget schwülstig, Schwimmt fort, und schimmert; und -- zerpufft. Was gehn dich Klopstock an und Lessing? Sei du für Dichtertand zu stolz! Der Musen Weisheit glänzt wie Messing; Brotwissenschaft hat Werth des Golds! Wenn voll Begeistrung du gewaltsam Die Feder kaust, den Boden stampfst, Die Augen drehst, und unaufhaltsam Aus offnem Schlund die Gluth verdampfst; Und jetzt nach langer, langer Arbeit Ein Päan sich herausgewürgt, Der Trotz der ganzen Dichterschaar beut, Dem schamroth Pindar selbst sich birgt: Was hast du denn, als Kopf- und Bauchweh, Und Aschgesicht und schwindelnd Hirn! Und ach! dein Herzchen thut dir auch weh, Verschrumpft gleich einer welken Birn'! Und glaubt man daß dein Witz von selbst reift, Wo nicht dir Muth Herr Urjan klatscht, Sich nicht dein Leumund grün und gelb streift, Durch Mummel und Popanz karbatscht! Mit schiefem Geifermaul umquackt dich Das Froschgeschwätz der krit'schen Zunft, Und jeder kahle Hundsfott plackt dich Mit Schimpf und Lob voll Unvernunft. Drum jage Vers und Reim zum Satan, Und hör', o Reimbold, statt des Raths Der falschen Muse, meinen Rath an; So lebst du frohe, als Horaz. 17. Zeuch aus den Flausrock deiner Drangsal, Und putze dich, und eile flugs Dorthin, wo bald den hellen Klangsaal Durchtönet Erz und Darm und Bux. Dort geiget heut' der große Lolli. Wem schwand nicht Unmuth schnell und Harm, Der Ohren Lolli's Dur und Moll lieh? Ganz himmlisch klingt sein Fiedeldarm! Ich hört' ihn gestern, wie entsetzlich Sein Instrument mit zwanzig stritt; Potz Donner, welch ein Lärm! Doch plötzlich Ging's Solo: dudeldidel pft! Nur wähle dir zuvor ein Mägdlein, Jung, leicht und rosig, wie der Lenz, Und führe sie als Jungfernknechtlein Zum Sitz mit manchem Reverenz. Wie Moskau's Pope vor Sankt Niklas, Steh dann, und gaff' auf ihren Pelz; Bei seiner Wallung wird kein Blick laß! Dich neigend, flüstr' auch: Wie gefällt's? Hat Lolli sein Koncert vollbracht, und Des Mädchens Herz erweicht wie Wachs; Dann führe sie durch düstre Nacht, und Allein zurück, doch nicht zu stracks. Man sagt, ein Mädchen sei kein' Eider, Sie hege, gleich dem Jüngling, Feu'r; Nur schalkheitsvolle Heuchelei deck's: Im Dunkeln sei ihr Kuß nicht theu'r.
About the headline (FAQ)
Confirmed with Sämmtliche poetische Werke von Johann Heinrich Voss, ed. by Abraham Voss, Leipzig, Immanuel Müller, 1835, pages 245-255.
Note: at the top of the poem, the following quotation appears:
-- Non ego te meis Chartis inornatum sileri, Totve tuos paliar labores Impune, Lolli, carpere lividas Obliviones. Horat. IV. Od. 9
Authorship:
- by Johann Heinrich Voss (1751 - 1826), "Schwergereimte Ode", subtitle: "An Reimbold" [author's text checked 2 times against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Friedrich Ludwig Æmelius Kunzen (1761 - 1817), "Einladung zum Conzert", published 1788 [ voice and piano ], from Weisen und lyrische Gesänge, no. 7, Flensburg und Leipzig, in der Kortensche Buchhandlung ; note: this vocal setting begins with stanza 17 [sung text not yet checked]
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