by Elisabeth Pauline Ottilie Luise zu Wied, Prinzessin (1843 - 1916), as Carmen Sylva
Die Näherin
Language: German (Deutsch)
Der Tag ist kalt, die Nadel fliegt, die schöne Schwester im Sarge liegt; sie liegt im Sarg, und ihr Schmuck und Tand, die harren im Leihhaus als Unterpfand, die harren dort wohl bis zum Aufersteh'n, wenn sie und ihr Schatz sich wiederseh'n! Die Nadel fliegt, der Tag ist kalt, zum Tanze jagen die Schlitten bald; und was sie nicht brauchten an Flitter zum Tanz, draus flocht ich der Schwester den Totenkranz. Der Kranz muss im Sarg in die Erde hinab, sonst stehlen die Leute ihn mir vom Grab. Der Tag ist kalt, die Nadel fliegt; ich hab' sie zum letzten Schlummer gewiegt. Vorm letzten Schlummer, da hat sie geklagt: "Wie arm und verlassen und so verzagt! In Hunger und Elend siecht' ich hin, weint keiner, weil ich gestorben bin!" Die Nadel fliegt, der Tag ist kalt, die Lampe, sie flackert verlöschend bald. Sie braucht kein Feuer für diese Nacht, und Blumen hab' ich ihr mitgebracht. Sie hat um ein Veilchen geweint, und ich, um ihr's zu kaufen, verkauft' ich mich!
Authorship:
- by Elisabeth Pauline Ottilie Luise zu Wied, Prinzessin (1843 - 1916), as Carmen Sylva, appears in Handwerklieder [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by (Friedrich) August Bungert (1845 - 1915), "Die Näherin", op. 49 no. 24, published 1891 [ voice and piano ], from Neue Volkslieder nach alten und neuen Gedichte und Handwerker-Lieder, no. 24, Berlin, Fr. Luckhardt [sung text checked 1 time]
Researcher for this page: Johann Winkler
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