by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769)
Wider den Geiz
Language: German (Deutsch)
Wohl dem, der bessre Schätze liebt als Schätze dieser Erden! Wohl dem, der sich mit Eifer übt, an Tugend reich zu werden, und in dem Glauben, des er lebt, sich über diese Welt erhebt. Wahr ist es, Gott verwehrt uns nicht, hier Güter zu besitzen. Er gab sie uns und auch die Pflicht, mit Weisheit sie zu nützen. Sie dürfen unser Herz erfreun und unsers Fleißes Antrieb sein. Doch nach den Gütern dieser Zeit mit ganzer Seele schmachten, nicht erst nach der Gerechtigkeit und Gottes Reiche trachten, ist dieses eines Menschen Ruf, den Gott zur Ewigkeit erschuf? Der Geiz erniedrigt unser Herz, erstickt die edlern Triebe. Die Liebe für ein schimmernd Erz verdrängt der Tugend Lieb, und machet, der Vernunft zum Spott, ein elend Gold zu deinem Gott. Der Geiz, so viel er an sich reißt, lässt dich kein Gut genießen; er quält durch Habsucht deinen Geist und tötet dein Gewissen und reißt durch schmeichelnden Gewinn dich blind zu jedem Frevel hin. Um wenig Vorteil wird er schon aus dir mit Meineid sprechen, dich zwingen, der Arbeiter Lohn unmenschlich abzubrechen; er wird in dir der Witwen Flehn, der Waisen Tränen widerstehn. Wie könnt ein Herz, vom Geize hart, der Wohltat Freuden schmecken und in des Unglücks Gegenwart den Ruf zur Hülf entdecken? Und wo ist eines Standes Pflicht, die nicht der Geiz entehrt und bricht? Du bist ein Vater; und aus Geiz entziehst du dich den Kindern und lässest dich des Goldes Reiz, ihr Herz zu bilden, hindern und glaubst, du habst sie wohl bedacht, wenn du sie reich wie dich gemacht. Du hast ein richterliches Amt; und du wirst dich erfrechen, die Sache, die das Recht verdammt, aus Habsucht recht zu sprechen; und selbst der Tugend größter Feind erkauft an dir sich einen Freund. Gewinnsucht raubt dir Mut und Geist, die Wahrheit frei zu lehren; du schweigst, wenn sie dich reden heißt, ehrst, wo du nicht sollst ehren, und wirst um ein verächtlich Geld ein Schmeichler und die Pest der Welt. Erhalte mich, o Gott, dabei, dass ich mir gnügen lasse, Geiz ewig als Abgötterei von mir entfern und hasse. Ein weites Herz und guter Mut sei meines Lebens größtes Gut!
Text Authorship:
- by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769) [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Carl Philipp Emanuel Bach (1714 - 1788), "Wider den Geiz", Wq 194 no. 54 (1758) [ voice and piano or harpsichord or organ ], from Geistliche Oden und Lieder mit Melodien: Gellert Oden, no. 54 [sung text checked 1 time]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
This text was added to the website: 2022-02-22
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