by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769)
Nachahmung der göttlichen Liebe
Language: German (Deutsch)
Urquell der Liebe! Ew’ge Güte! Zu dir erhebt sich mein Gemüte, das deiner Wahrheit Strahl gerührt. Sei ewiglich von uns gepriesen, dass du uns gnädig unterwiesen den Weg, der uns zum Leben führt! Du bist die Güte selbst. Als Kinder von dir, willst du, dass wir nicht minder in unsrer Art die Güte sein. Du schaffest um dich Seligkeiten, wir sollen auch Glückseligkeiten um uns auf unsre Brüder streun. Auf dein allmächtig Wort: Es werde! entstund der Himmel und die Erde, von deiner Güte sind sie voll. Du gabst der Sonne das Geschäfte, dass sie durch deines Feuers Kräfte uns leuchten und erwärmen soll. Der Himmel muss der Erde dienen, die Erde für die Tiere grünen, die Tiere sind zu unserm Nutz. Um deinen Endzweck zu erfüllen, ist eines um des andern willen, das Stärkre ist des Schwächern Schutz. Noch mehr bemüht zu unserm Glücke, hast du ein würdiger Geschicke dem Geisterorden zugedacht. Du gabst uns höhre Fähigkeiten, uns zu dem höhren Glück zu leiten, das uns die Tugend möglich macht. Dadurch soll unsre Wohlfahrt blühen, dass wir freiwillig uns bemühen, der eine für des andern Wohl. Du willst, dass jeder nicht sich leben, nein! durch ein nützliches Bestreben der Gott des andern werden soll. Du senktest selbst den Trieb zur Güte tief in das menschliche Gemüte und machtest Wohltun uns zur Pflicht. Wer nur für sich zu leben wählet, der hat das echte Glück verfehlet und findt die wahre Ruhe nicht. Dich selbst beseelen nur die Triebe der wahren Huld. Du selbst bist Liebe. Dir selbst ist Wohltun Seligkeit. Wer sich wie du dazu bemühet, dass durch ihn andrer Wohlfahrt blühet, der findet die Zufriedenheit. Dein Sohn, als ihn die Menschenliebe, den Himmel zu verlassen, triebe, als er zu uns auf Erden kam, als er entsagte allen Freuden, und Not und Elend, Schmach und Leiden, uns zu erlösen, übernahm; Wurd er ein Beispiel deiner Güte, von der sein göttliches Gemüte in jeder Handlung Proben gab. Sein nur der Huld geweihtes Leben, am Kreuze für uns hinzugeben, ließ sich der Menschenfreund herab. Er ist das Haupt, wir sind die Glieder! O! sollen wir für unsre Brüder nicht tun, was er für uns getan? Hinfort sei’s unser ganz Bestreben, dem nur, der für uns starb, zu leben. Wir nehmen ihn zum Führer an. Wir sind für andre nur geboren. Uns sei jeder Tag verloren, wo wir für andre nichts getan. Das sei allein, was wir begehren, was andrer Wohlergehn vermehren, was unserm Nächsten nutzen kann.
Text Authorship:
- by Christian Fürchtegott Gellert (1715 - 1769) [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Carl Philipp Emanuel Bach (1714 - 1788), "Nachahmung der göttlichen Liebe", Wq 195 no. 2 (1764) [ voice and piano or harpsichord or organ ], from Zwölf geistliche Oden und Lieder als ein Anhang zu Gellerts geistlichen Oden und Liedern mit Melodien, no. 2 [sung text checked 1 time]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
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