by Else Lasker-Schüler (1869 - 1945)
Der Schnupfen
Language: German (Deutsch)
Ich habe ihn doch wieder! Niesen ist unmodern geworden. In den Biedermeierjahren, Als die Leute noch gemütvoll waren, Wünschten sich: »Gesundheit!« beide Gatten. Oder auch: »Zum Wohlsein! wenn Sie mir gestatten.« Haben doch die meisten Leute im Laufe der Jahrzehnte der Tournüre Artigkeit gewissenlos eingebüßt und opfern keine Worte weiter zur Verherrlichung des Schnupfens. Mit Rezepten sind sie bei der Hand. Ich trage meinen Schnupfen heute noch mit Würde, Und klage nicht das launige Sommerwetter an. Ich finde, »klagen«, irgendwie absürde, Wenn man noch eben etwas schnaufen kann. Nahm ein Verleger mir nur meine Bürde, Die ungedruckt an meinen Ästen hängt. Die vielen Verse werden erst zur Zierde, Wenn ein Verlag sich druckreif danach drängt. Gedichte, die ich in den letzten Jahren schmierte, Prosa hellrosa, cetera, was liegt daran - In die ich en passant die Welt einschnürte, Beweise lieferte, daß ich was kann. Und erst was können könnt, postwendend postrestant. Was drängt Ihr euch zu lindern meinen Schnupfen, Als wären wir beinahe blutsverwandt. - Am Abend führ ich in mein Nasenloch den Wattetupfen -Vorher - in Glyzerin getaucht und - schnarche dann.
Authorship:
- by Else Lasker-Schüler (1869 - 1945), "Der Schnupfen" [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Heinz Becker (b. 1938), "Der Schnupfen", 1987 [ voice and instrumental ensemble ], from Ich träume so leise von dir, no. 5 [sung text not yet checked]
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