by Karl Joachim ("Achim") Friedrich Ludwig von Arnim (1781 - 1831)
Ade, Ade, Frau Muhme
Language: German (Deutsch)
Available translation(s): ENG
[Freya:] 1. Ade, Ade, Frau Muhme, Sie meint, ich lieg' im Bette; Ade, Ade, Frau Muhme, Ich lös' des Kahnes Kette. 2. Ich schwanke fort im Rheine, Zur Eil' schlägt ihn mein Ruder, Ich grab' im Abendscheine Zwey Grübchen mit dem Ruder. 3. Die suchen wirbelnd beyde, Bis sie im Kuß verbunden, So wird mein Mund zur Freude An seinem Mund gesunden. 4. Die Kammer ist so dunkel, Mein Bettchen heißes Glühen, Vor'm Auge bunt Gefunkel, Ich muß die Schatten fliehen. 5. Die Kühlung ist so ladend, Das Hemdlein wird so enge; Im Mondenschein sie badend Erfüllt die Brust Gedränge. 6. Ich fühle mit dem Fuße, Ob kühl des Wassers Glänzen; Wie süß im linden Kusse Die Wellen zieh'n in Tänzen. 7. Ich sinke in die Fluthen, Wo Schauer dringt in's Leben Erlöschend in den Gluthen Erfrischt sein spielend Leben. 8. Ich halt' mich fest am Kahne, Von Wogen dicht umfangen, Sie täuschen mit dem Wahne, Du wollest mich hier fangen. 9. Durch alle Adern strömet Die Kühlung wie Gesänge, Die Lust der Luft verhöhnet Der Fluthen kühn Gedränge. 10. Die kleinen Wellen schlagen An meines Busens Fülle, Zu ihm den Mondglanz tragen Sie sanft in kühler Hülle. 11. Ich steige neugeboren Aus ihren weichen Armen. O Weh', daß ich verloren Den Brautring, weh' mir Armen!-- 12. Es ist ein böses Zeichen, Verlust an gutem Ruhme, Auch deutet es auf Leichen, So spricht die alte Muhme! 13. Ein Ringlein ist ein Ringlein, Der Ringlein gibt’s zu Haufen, Ich schweige von dem Ringlein[,] Ein andres kann ich kaufen. 14. Die Luft ist gar zu schwüle, Die Ruhe gar zu linde, Der Donner rollen viele Im stillen, warmen Winde. (Hier fällt Herrmann ein und hält die Töne mit.) 15. Der Strom erglänzt in Streifen Und löscht sich aus im Dunkel, Die Frösche ängstlich greifen Mit hellem Ton in's Dunkel. 16. Ich hör' sie sonst so gerne, Am Tage still Verlangen, Erwecken sie die Sterne, Heut' will mich Alles bangen. 17. Zu dir, mein Herzenssehnen, In dir, mein volles Leben, In dir ertrinken Thränen, Zu dir die Wellen schweben. 18. Die Sonne zog bergunter, Die Blitze ziehen nieder, Der Himmel zog hinunter, Die Erde hebt die Glieder. 19. Das Wasser ruft im Rauschen, Das Feuer schwillt im Abend, Die Wälder sausend lauschen, Die Wolken ziehen labend. 20. Wie glänzt der Blitz so helle, Wie zackig ist sein Laufen, Er sucht und flieht die Welle, Dem Tod will er entlaufen. 21. Im Windstoß kommt der Regen, Die Stille hat's verhehlet, Den Felsen hüllet Regen, Ich hab' den Weg verfehlet. 22. O hätt' ich's Ringlein wieder, Ich würde mit Vertrauen Der Wolken schwarz Gefieder In seinem Rauschen schauen. 23. Es wälzen sich laut tosend, Es heben mich die Wogen, Der Tod mit Leben losend, Hat Sterbestund gezogen. 24. Es kochen kalte Gluthen, Gestaltlos schweben Riesen, Ergreift mich für den Guten, Den ich hieher verwiesen. 25. Ihr müßt die Loose tauschen, Ich möchte heut' noch leben, Mit Liebe mich berauschen: Soll es denn all' verschweben! -- 26. Mein Bethen ist verklungen, Marie und die Engel Sind durch den Sturm verdrungen, Gestürzt die Blüth' vom Stengel. 27. Die Lichter an dem Himmel, Sind ausgeweh't im Sturme, Die Wellen zieh'n zum Himmel, Kein Licht vom Mauthethurme! 28. (Herrmann läßt den Ton sinken und scheint betroffen.) Mein Schifflein wird bezwungen, Ich soll, ich muß verderben, Die Kräfte tief verschlungen, In Arbeit kämpfend sterben. 29. "Es dreht, es schwebt im Strudel, Nimm Leben für mein Leben, Verschling' den Liebsten, Strudel, Allein kann er nicht leben." 30. Ach Weh'! Es sinkt mein Nachen, Es fassen mich zwey Krallen; Ist's Träumen, ist es Wachen, Sie lassen sanft mich fallen?-- 31. Was hob mich an das Ufer? Es warfen mich die Wellen, Ich schling' mich fest an's Ufer, Ich spring' umher, wie Wellen. 32. Der Donner ist verklungen, Verblitzet sind die Blitze, Es ist ihm nichts gelungen, In Ruh' beym Thurm ich sitze. 33. Wohin ich dich gerufen, Mein Liebster, zu der Freude; Ich trat des Grabes Stufen, Die führen nicht zur Freude. 34. Die Brandung ist verschwunden, Die Wasser sind verrauschet, Und mit den dunklen Stunden Hat Mondlicht sich vertauschet. 35. In Ruh' hat er geschauet, Wenn dunkle Wolken trieben, Wer stark wie er vertrauet, Wär' frey von Schuld geblieben. 36. Und tausend Gräser grünen Mit seinem Schein im Bunde, Wo jüngst die Fluthen schienen Da singt's aus einem Munde. 37. Ich mag, ich kann nicht hören, Ich mag, ich kann nicht sehen, Lass't Drohen, lass't Beschwören, Lass't meinen Spruch verwehen. 38. Das Wort erstribt im Klange, Er ist, er bleibt mein eigen; Versprechen, wenn uns bange, Muß in der Ruhe schweigen. 39. Ich schau' ein Kreuz am Himmel, Es drohet schwarz ein Balken, Der Farben bunt Gewimmel Durchglänzt den andern Balken. 40. Durchschauernd meine Glieder, Ergreift mich dies Zeichen, Es zieht, es reißt mich nieder, Ich will und kann nicht weichen. 41. Gefangen sind die Augen Vom roth gelb-grünen Streifen, Den Trost ihm auszusaugen, In's Herz die Farben greifen. 42. Die Farben sind verschwunden, Das Kreuz ist mir entflohen, Doch kann’s mit tiefen Wunden Mein traurig Herz bedrohen. 43. Es freut der Sonne Bogen Das innere Gemüthe, Doch von der Nacht erzogen Des Mondes Farbenblüthe -- 44. Scheint alle Ruh' zu stören: Wie Blumen kühn vermessen, Auf Abendroth nicht hören, Zu schließen sich vergessen;-- 45. Die dann in kalten Winden Den Sternen offen sterben, Mit Farben lebend winken, Durch Todeshauch verderben. 46. Der mir das Kreuz gewiesen Aus heller Farb' und Dunkel, Hat Sünden mir verwiesen, Verscheucht der Seele Dunkel. 47. Ich log der guten Muhme, Ich schlich aus ihrem Hause, Gesenkt wie eine Blume Vom Droh'n im Windsgesause. 48. O heimlich Kreuz und Zeichen, Der Kreuzweg scheidet Böse, Dem Bergkreuz Nebel weichen, Von Sünden mich erlöse. 49. Nein, nimmer seh' ich wieder Dich hier am Mauthethurme, Gottob sie sind vorüber, Die Blitze in dem Sturme. 50. Bald bist du mein in Bingen, In alten Vaterlande, Bald werden uns umschlingen Des Eh'rings gold'ne Bande. 51. Ich seh' dich nimmer wieder Allein im wilden Rheine; Die Sorge drückt mich nieder, Daß du nicht kommst vom Rheine. 52. Der Rhein rauscht tief wie Ahndung, Zu mir die Felsen drängen, Es flüstert dumpf die Waldung, Die Ufer sich verengen. 53. Ich schau' den kleinen Nachen, Er streift quer durch die Wellen, Und meine Augen wachen, Den Weg dir zu erhellen. (Herrmann erschrickt heftig, er hört auf mitzusingen, tritt auf die Seite, nur Heymar bemerkt es.) 54. Es glühen deine Augen, Und röthlich scheint dein Hemde, Das Schwanken kann nicht taugen, Den Nachen zu mir wende. 55. Ich kann dich noch nicht fassen Und du bist heut' nicht frohe, Ich kann die Angst nicht lassen, Die Brust brennt lichterlohe. 56. Das Herz steht mir in Flammen, Es geisselt mich mit Ruthen, Es schlägt die Fluth zusammen, Das Blut gesteht in Gluthen. Herrmann. (Vor sich.) 56. [sic] O Himmel dürft ich träumen, Ich möchte nimmer wachen; In des Gewissens Räumen, Muß neu der Feind erwachen. 57. Das Leben muß verschwinden Die Liebe muß verschweben, Es werden meine Sünden Wohl nimmer mir vergeben. Herrmann. (Vor sich.) 57.[sic] O Gott! am Hochzeitfeste Rügst du die alten Sünden, Ich war auf jener Feste, Um Inkars Sohn zu finden. 58. Ade, Ade, Frau Muhme, Vergeb' sie mir die Lügen, Ade, Ade, Frau Muhme, Nie werd' ich wieder lügen. Herrmann. (Vor sich.) 58. [sic] Ach wären es nur Rosen Ich könnte ruhig bleiben, Der Sänger sah die Rosen, Ich sah ihn zu mir treiben. 59. Ade, Ade, mein Trauter, Verschenkt hab' ich dein Leben, Im Tod durch Tod, Vertrauter, Du mußt es mir vergeben. Herrmann. (Vor sich.) 59. Des Vaters Schuld zu rächen, Muß ihn mein Pfeil erstechen; Muß ich die Rose brechen, Weil ihre Dornen stechen? 60. Heymar. So hatte sie gesungen, Und sank zur Erd nieder, Vom Liebsten fest umschlungen, Der sang auch Schwanenlieder. Herrmann. (Vor sich.) 60. O nimmer soll sie wissen Des Mannes alte Sünde; Sie soll mich ruhig küssen, Das Lied verwehen Winde. (Herrmann scheint sich zu fassen und Freya winkt ihm, daß er anfängt.) Herrmann. (Freya hält jetzt den Ton mit, die übereinstimmenden Strophen singen Herrmann und Heymar zugleich.) Der Rosenkönig. 61. Zu dir schifft' ich im Sturme, Er schien mir sanft, gelinde, Zu dir schifft' ich zum Thurme, Die Liebe traut dem Winde. 62. Umsonst die hohen Fluthen, Umsonst des Ufers Klüfte, Umsonst des Blitzes Gluthen, Umsonst die Binger Grüfte. Heymar. 63. Oft brechen nicht die Stürme, Die hohen Tannen nieder, Doch nagen die Gewürme Von Innen ihre Glieder. 64. Es schrecken wilde Fluthen, Die wir erschäumen sahen; Doch falscher sind die Fluthen, Die ruhig hoch sich nahen. Herrmann. 65. Schon sah ich dich am Ufer, Zu dir schlug rasch mein Ruder, Da hemmt' ein Pfeil vom Ufer Im Lebensmeer mein Ruder. 66. Der Teufel auf der Warte, Von seiner Lust gedungen, Auf Rosen lange harrte, Er hat mich fest umschlungen!-- Heymar. 67. Der Mauthner auf der Warte, Vom fremden Volk gedungen, Auf Mord schon lange harrte, Es ist ihm ganz gelungen. 68. O wär'st du doch gestorben Für Mainz im dunklen Kriege, Du hättest Ruhm erworben, Umsonst mußt du erliegen. Herrmann. 69. Der Athem stockt im Blute, Das Herz wird still im Busen, Der Geist erwacht zum Muthe, Ich sterb' an deinem Busen. Heymar. 70. Die Kraft ist ihm entschwunden, Es stirbt ihr trauter Junge, Zu tief sind seine Wunden, Der Geist entschwebt der Zunge. Herrmann, Freya und Heymar. (Sie brechen Rosen und schmücken Heymar’s Laute damit.) 71. So starben arme Rosen, Denn heillos ist die Liebe; Wir brechen junge Rosen, Und weihen sie dem Liede. 77.[sic] Nun duften beyde Rosen, Und leben ihrem Liede, Wir denken, wie die Rosen, So lohne uns die Liebe.
B. Arnim sets stanzas 17, 14, 16
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Confirmed with Achim von Arnim, "Die Rose" in: Ariel’s Offenbarungen, Göttingen: Bey Heinrich Dietrich, 1804, pages 96-111
Authorship:
- by Karl Joachim ("Achim") Friedrich Ludwig von Arnim (1781 - 1831), "Die Rose", appears in Ariel’s Offenbarungen, Part II [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Bettina von Arnim, née Brentano (1785 - 1859), "Zu dir, mein Herzenssehnen", stanzas 17,14,16. [ sung text checked 1 time]
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- ENG English (Sharon Krebs) , copyright © 2013, (re)printed on this website with kind permission
Researcher for this page: Sharon Krebs [Guest Editor]
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