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by Bertolt Brecht (1898 - 1956)

Ballade von der Billigung der Welt
Language: German (Deutsch) 
Ich bin nicht ungerecht, doch auch nicht mutig.
Sie zeigten mir da heute ihre Welt,
da sah ich nur den Finger, der war blutig.
Da sagt' ich eilig, daß sie mir gefällt.

Den Knüppel über mir, die Welt vor Augen,
stand ich vom Morgen bis zur Nacht und sah.
Sah, daß als Metzger Metzger etwas taugen.
Und auf die Frage: freut's dich? sagt' ich: Ja.

Und von der Stunde sagt' ich ja zu Allen.
Lieber ein feiger als ein toter Mann.
Nur um in diese Hände nicht zu fallen,
billigte ich, was mann nicht billigen kann.

Ich sah den Junker mit Getreide wuchern,
hohlwangig Volk zog vor ihm tief den Hut.
Ich sagte laut, umringt von Wahrheitssuchern:
er ist ein wenig teuer, aber gut!

Die Unternehmer dort: nur jeden Dritten
können sie brauchen und verwerten sie.
Ich sagte den Nichtunternommenen: die müßt ihr bitten,
ich selbst versteh nichts von Ökonomie.

Sah ihre Militärs, Raubkriege planend,
die man aus Feigheit frei herumgehn ließ.
Ich trat vom Gehsteig und rief, Böses ahnend:
Hut ab! Die Herrn sind technische Genies!

Die Volksvertreter, die den hungrigen Wählern
versichern, daß es durchs sie besser wird,
ich nenn' sie gute Redner, sage:
sie haben gelogen nicht, sie haben sich geirrt.

Sah die Beamten schimmelangefressen.
Ein Riesenjauchenschöpfrad halten sie im Schwung.
Selbst schlecht entlohnt für Treten und für Pressen:
ich bitt' für sie um Aufbesserung.

Die Richter, die das Eigentum verteid'gen,
versteckend unterm Richtertisch die blut'gen Schuh,
will ich, da ich nicht darf, auch nicht beleidigen;
doch tu ich's nicht, weiß ich nicht, was ich tu.

Ich sag: die Herren kann man nicht bestechen!
Durch keine Summe! Und zu keiner Zeit!
Zu achten das Gesetz und Recht zu sprechen.
Ich frag': ist das nicht Unbestechlichkeit?

Dort, drei Schritt vor mir, seh' ich ein'ge Rüpel,
die schlagen ein auf Weib und Greis und Kind.
Da seh' ich eben noch: sie haben Gummiknüppel,
da weiß ich, daß es keine Rüpel sind.

Die Polizei, die mit der Armut kämpft,
damit das Elend uns nicht überschwemmt,
hat alle Hände voll zu tun.
Wenn sie mich vor Diebstahl schützt -
für sie mein letztes Hemd.

Nachdem ich so bewiesen, daß in mir kein Arg ist,
hoff' ich, daß ihr mir durch die Finger seht,
wenn ich mich jetzt zu jenen auch bekenne,
von denen Schlimmes in der Zeitung steht.

Den Zeitungsschreibern. Mit dem Blut der Opfer
schmieren sie's hin: Die Mörder sind es nicht gewesen.
Ich reiche euch die frisch bedruckten Blätter
und sag': ihr Stil ist aber gut, ihr müßt es lesen.

Der Dichter gibt uns seinen Zauberberg zu lesen.
Was er (für Geld) da spricht, ist gut gesprochen!
Was er (umsonst) verschweigt: die Wahrheit wär's gewesen.
Ich sag': der Mann ist blind und nicht bestochen.

Der Händler dort, beschwörend die Passanten:
nicht meine Fische stinken, sondern ich!
Braucht selber keinen faulen Fisch zu fressen.
Den halt ich mir warm, vielleicht verkauft er mich.

Dem Mann, halb von Furunkeln aufgegessen,
kaufend ein Mädchen mit gestohlnem Geld,
drück' ich die Hand vorsichtig, aber herzlich
und danke ihm, daß er das Weib erhält.

Die Ärzte, die den kranken Armen
wie Angler den zu kleinen Eisch
wegwerfen, kann ich krank nicht missen,
ich leg' mich hilflos ihnen auf den Tisch.

Die Ingenieure, die das Fließband legen,
das den Arbeitenden die Lebenskraft entführt,
lob' ich des technischen Triumphes wegen.
Der Sieg des Geistes ist's, der mich zu Tränen rührt.

Ich sah die Lehrer, arme Steißbeintrommler,
formen das Kind nach ihrem Ebenbild.
Sie kriegen ihr Gehalt dafür vom Staate.
Sie müßten hungern sonst. Daß sie mir keiner schilt!

Und Kinder seh' ich, die sind vierzehn Jahre,
sind groß wie sechs und reden wie ein Greis.
Ich sag': so ist's. Doch auf die stumme Frage:
warum ist's so? sag ich, daß ich's nicht weiß.

Die Professoren, die mit schönen Worten
rechtfert'gen, was ihr Auftraggeber macht,
von Wirtschaftskrisen sprechend statt von Morden:
sie sind nicht schlimmer, als ich mir's gedacht.

Die Wissenschaft, stets unser Wissen mehrend,
welches dann wieder unser Elend mehrt,
verehre manwie die Religion, die unsere
Unwissenheit vermehrt, und die man auch verehrt.

Sonst nichts davon. Die Pfaffen stehn mir nahe.
Sie halten hoch durch Krieg und Schlächterein
den Glauben an die Lieb und Fürsorg droben.
Es soll dies ihnen nicht vergessen sein.

Sah eine Welt Gott und den Wucher loben,
hörte den Hunger schrein: wo gibt's was?
Sah, sehr feiste Finger deuteten nach oben.
Da sagt' ich: seht ihr, es ist etwas da!

Gewisse Sattelköpfe, die vor Zeiten
mein Freund George Grosz entwarf, sind, hör ich, auf dem Sprung,
der Menschheit jetzt die Gurgel durchzuschneiden.
Die Pläne finden meine Billigung.

Ich sah die Mörder und ich sah die Opfer.
Und nur des Muts und nichts des Mitleids bar
sah ich die Mörder ihre Opfer wählen
und schrie: ich billige das ganz und gar!

Ich seh sie kommen, seh' den Zug der Schlächter,
will doch noch brüllen: Halt! Und da, nur weil
ich weiß: es stehen, Hand am Ohr, die Wächter,
hör ich mich ihm entgegenbrüllen: Heil!

Da Niedrigkeit und Not mir nicht gefällt,
fehlt meiner Kunst in dieser Zeit der Schwung.
Doch zu dem Schmutze eurer schmutzigen Welt
gehört, ich weiß es, meine Billigung.

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Text Authorship:

  • by Bertolt Brecht (1898 - 1956) [author's text not yet checked against a primary source]

Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):

  • by Hanns Eisler (1898 - 1962), "Ballade von der Billigung der Welt" [sung text checked 1 time]

Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]

This text was added to the website between May 1995 and September 2003.
Line count: 117
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