by Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832)
Mitten im Getümmel mancher Freuden
Language: German (Deutsch)
Mitten im Getümmel mancher Freuden, Mancher Sorgen, mancher Herzensnot, Denk ich dein, o Lottchen, denken dein die beiden, Wie beim stillen Abendrot Du die Hand uns freundlich reichtest, Da du uns auf reich bebauter Flur, In dem Schoße herrlicher Natur, Manche leicht verhüllte Spur Einer lieben Seele zeigest. Wohl ist mirs, daß ich dich nicht verkannt, Daß ich gleich dich in der ersten Stunde, Ganz den Herzensausdruck in dem Munde, Dich ein wahres, gutes Kind genannt. Still und eng und ruhig auferzogen Wirft man uns auf einmal in die Welt; Uns umspülen hunderttausend Wogen, Alles reizt uns; mancherlei gefällt, Mancherlei verdrießt uns, und von Stund zu Stunden Schwankt das leichtunruhige Gefühl; Wir empfinden, und was wir empfunden, Spült hinweg das bunte Weltgewühl. Wohl, ich weiß es, da durchschleicht uns innen Manche Hoffnung; mancher Schmerz. Lottchen, wer kennt unsere Sinnen? Lottchen, wer kennt unser Herz? Ach, es möchte gern gekannt sein, überfließen In das Mitempfinden einer Kreatur, Und vertrauend zwiefach neu genießen Alles Leid und Freude der Natur. Und da sucht das Aug oft so vergebens Ringsumher und findet alles zu; So vertaumelt sich der schönste Teil des Lebens Ohne Sturm und ohne Ruh, Und zu deinem ewgen Unbehagen Stößt dich heute, was dich gestern zog. Kannst du zu der Welt nur Neigung tragen. Die so oft dich trog Und bei deinem Weh, bei deinem Glücke Blieb in eigenwillger, starrer Ruh? Sieh; da tritt der Geist in sich zurücke, Und das Herz - es schließt sich zu. So fand ich dich und ging dir frei entgegen. O sie ist wert, zu sein geliebt! Rief ich, erflehte dir des Himmels reinsten Segen, Den er dir nun in deiner Freundin gibt.
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Text Authorship:
- by Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), "An Lottchen" [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Johann Friedrich Reichardt (1752 - 1814), "An Lotte", published 1804, note: setting begins with stanza 3: "Wohl, ich weiß es, da durchschleicht uns innen" [text verified 1 time]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
This text was added to the website: 2007-11-21
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