by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
O wie haben wir, mit welchem Wimmern
Language: German (Deutsch)
I O wie haben wir, mit welchem Wimmern, Augenlid und Schulter uns geherzt. Und die Nacht verkroch sich in den Zimmern wie ein wundes Tier, von uns durchschmerzt. Wardst du mir aus allen auserlesen, war es an der Schwester nicht genug? Lieblich wie ein Tal war mir dein Wesen, und nun beugt es auch vom Himmelsbug sich in unerschöpflicher Erscheinung und bemächtigt sich. Wo soll ich hin? Ach mit der Gebärde der Beweinung neigst du dich zu mir, Untrösterin. II Lass uns in der dunkeln Süßigkeit nicht der Tränen Richtung unterscheiden. Bist du sicher, dass wir Wonnen leiden oder leuchten von getrunknem Leid? Meinst du weinend, dass Entbehrung weher als ein eigenmächtiges Geben sei? Wenn die Menge einst der Aufersteher uns entschwistert, und wir, irgend zwei, bei der jäh enttötenden Fanfare taumeln aus dem aufgestürzten Stein: o wie wird dann diese sonderbare Lust zu dir den Engeln schuldlos sein. Denn auch sie ist tief im Geiste, siehe: in dem Strahlenden, der brennt und braust. Und dann hilfst du mir auf meine Kniee und dann kniest du neben mir und schaust.
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Briefe an eine Freundin (Claire Goll) 1918-1925
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Die Geschwister", written 1913 [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Torbjörn Iwan Lundquist (1920 - 2000), "O wie haben wir", 1984/1989 [ voice and piano or orchestra ], from Siebenmal Rilke, no. 1 [sung text not yet checked]
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