by Heinrich Heine (1797 - 1856)
Die Göttin hat mir Thee gekocht
Language: German (Deutsch)
Die Göttin hat mir Thee gekocht Und Rum hineingegossen; Sie selber aber hat den Rum Ganz ohne Thee genossen. An meine Schulter lehnte sie Ihr Haupt (die Mauerkrone, Die Mütze, ward etwas zerknittert davon) Und sie sprach mit sanftem Tone: "Ich dachte manchmal mit Schrecken dran, Daß du in dem sittenlosen Paris so ganz ohne Aufsicht lebst, Bei jenen frivolen Franzosen. "Du schlenderst dort herum, und hast Nicht mahl an deiner Seite Einen treuen deutschen Verleger, der dich Als Mentor warne und leite. "Und die Verführung ist dort so groß, Dort giebt es so viele Sylphiden, Die ungesund, und gar zu leicht Verliert man den Seelenfrieden. "Geh' nicht zurück und bleib' bei uns; Hier herrschen noch Zucht und Sitte, Und manches stille Vergnügen blüht Auch hier, in unserer Mitte. "Bleib' bei uns in Deutschland, es wird dir hier Jetzt besser als eh'mals munden; Wir schreiten fort, du hast gewiß Den Fortschritt selbst gefunden. "Auch die Censur ist nicht mehr streng, Hoffmann wird älter und milder, Und streicht nicht mehr mit Jugendzorn Dir deine Reisebilder. "Du selbst bist älter und milder jetzt, Wirst dich in manches schicken, Und wirst sogar die Vergangenheit In besserem Lichte erblicken. "Ja, daß es uns früher so schrecklich ging, In Deutschland, ist Uebertreibung; Man konnte entrinnen der Knechtschaft, wie einst In Rom, durch Selbstentleibung. "Gedankenfreiheit genoß das Volk, Sie war für die großen Massen, Beschränkung traf nur die g'ringe Zahl Derjen'gen, die drucken lassen. "Gesetzlose Willkür herrschte nie, Dem schlimmsten Demagogen Ward niemals ohne Urtheilspruch Die Staatskokarde entzogen. "So übel war es in Deutschland nie, Trotz aller Zeitbedrängniß - Glaub' mir, verhungert ist nie ein Mensch In einem deutschen Gefängniß. "Es blühte in der Vergangenheit So manche schöne Erscheinung Des Glaubens und der Gemüthlichkeit; Jetzt herrscht nur Zweifel, Verneinung. "Die praktische äußere Freiheit wird einst Das Ideal vertilgen, Das wir im Busen getragen - es war So rein wie der Traum der Liljen! Auch unsre schöne Poesie Erlischt, sie ist schon ein wenig Erloschen; mit andern Königen stirbt Auch Freiligraths Mohrenkönig. "Der Enkel wird essen und trinken genug, Doch nicht in beschaulicher Stille; Es poltert heran ein Spektakelstück, Zu Ende geht die Idylle. "O, könntest du schweigen, ich würde dir Das Buch des Schicksals entsiegeln, Ich ließe dir spätere Zeiten seh'n In meinen Zauberspiegeln. "Was ich den sterblichen Menschen nie Gezeigt, ich möcht' es dir zeigen: Die Zukunft deines Vaterlands - Doch ach! du kannst nicht schweigen!" Mein Gott, o Göttin! - rief ich entzückt - Das wäre mein größtes Vergnügen, Laß mich das künftige Deutschland sehn - Ich bin ein Mann und verschwiegen. Ich will dir schwören jeden Eid, Den du nur magst begehren, Mein Schweigen zu verbürgen dir - Sag an, wie soll ich schwören? Doch jene erwiederte: "Schwöre mir In Vater Abrahams Weise, Wie er Eliesern schwören ließ, Als dieser sich gab auf die Reise. "Heb' auf das Gewand und lege die Hand Hier unten an meine Hüften, Und schwöre mir Verschwiegenheit In Reden und in Schriften!" Ein feierlicher Moment! Ich war Wie angeweht vom Hauche Der Vorzeit, als ich schwur den Eid, Nach uraltem Erzväterbrauche. Ich hob das Gewand der Göttin auf, Und legte an ihre Hüften Die Hand, gelobend Verschwiegenheit In Reden und in Schriften.
L. Lehrman sets stanzas 1-2, 6-7, 13, 11, 18, 20
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Authorship:
- by Heinrich Heine (1797 - 1856), appears in Deutschland. Ein Wintermärchen, no. 25 [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
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This text (or a part of it) is used in a work
- by Leonard J[ordan] Lehrman (b. 1949), "Die Göttin ", op. 72 no. 10, published 1984 [male voice and piano], from Ein Wanderer durch Deutschland, nach Heines Wintermärchen (A Wanderer through DEUTSCHLAND after Heine's Wintermärchen), no. 10
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- Also set in English, a translation by Leonard J[ordan] Lehrman (b. 1949) , no title, stanzas 1-2,6-7,13,11,18,20 [an adaptation] ; composed by Leonard J[ordan] Lehrman.
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- ENG English (Leonard J[ordan] Lehrman) , no title, stanzas 1-2,6-7,13,11,18,20 [an adaptation]
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
This text was added to the website: 2010-09-13
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