Um Mittagsglut, auf des Gebirges Grat Schlief unter alten Fichten müd ich ein; Ich schlief und träumte bis zum Abendschein Von leerem Hoffen und verlorner Tat. Schlaftrunken und verwirrt erwacht ich spat: Gerötet war ringsum Gebüsch und Stein, Des Hochgebirges Eishaupt und Gebein, Der Horizont ein sprühend Feuerrad. Und rascher fühlt ich meine Pulse geh'n, Ich hielt die Glut für lichtes Morgenrot, Erharrend nun der Sonne Aufersteh'n. Doch Berg um Berg versank in Schlaf und Tod, Die Nacht stieg auf mit frostig rauhem rauhem Weh'n Und mit dem Mond des Herzens alte Not.
Vier Lieder , opus 19
by Richard Stöhr (1874 - 1967)
1. Schein und Wirklichkeit
Language: German (Deutsch)
Text Authorship:
- by Gottfried Keller (1819 - 1890), "Schein und Wirklichkeit"
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2. Lichtgestalten
Language: German (Deutsch)
Sahst du noch nicht um Sonnenuntergang Gestalten, goldumleuchtete, droben in den schwebenden Landen? Was von erhabenen Seelen Ewiges aus dem Vergänglichen aufwärts steigt: Siehe, so wandelt in leuchtenden Höhen segnend es über den Suchenden hin. Und zu seines Volkes Lichteskindern blickt der Umdunkelte dankbar auf.
Text Authorship:
- by Ferdinand Avenarius (1856 - 1923), "Lichtgestalten"
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3. An die Vögel
Language: German (Deutsch)
Zwitschert nicht vor meinem Fenster, Liebe Vögelein! Sucht euch eine and're Stelle, Liebe Vögelein! Setzt euch nicht auf Kerkergitter, Liebe Vögelein! In der Seele des Gefang'nen Weckend Sehnsuchtspein. Setzt euch nicht auf Grabeshügel Liebe Vögelein, Höhnend mit der Lenzeskunde Frierendes Gebein. Singet nicht dem Ungeliebten, Der so ganz allein: Zwitschert nicht vor meinem Fenster, Liebe Vögelein!
Text Authorship:
- by Robert Hamerling (1830 - 1889), "An die Vögel", appears in Sinnen und Minnen: Ein Jugendleben in Liedern, in Lieder, first published 1870
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Michael P Rosewall) , copyright © 2023, (re)printed on this website with kind permission
4. Winterlandschaft
Language: German (Deutsch)
Unendlich dehnt sie sich, die weiße Fläche, bis auf den letzten Hauch von Leben leer; die muntern Pulse stockten längst, die Bäche, es regt sich selbst der kalte Wind nicht mehr. Der Rabe dort, im Berg von Schnee und Eise, erstarrt und hungrig, gräbt sich tief hinab, und gräbt er nicht heraus den Bissen Speise, so gräbt er, glaub' ich, sich hinein ins Grab. Die Sonne, einmal noch aus Wolken blitzend, wirft einen letzten Blick auf's öde Land, doch, gähnend auf dem Thron des Lebens sitzend, trotzt ihr der Tod im weißen Festgewand.
Text Authorship:
- by (Christian) Friedrich Hebbel (1813 - 1863), "Winterlandschaft"
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