«Was pocht mir an das Fenster? Was klopft an meine Tür so laut?» - «Ich bin ein junger Wildfang Und naß bis auf die Haut. Ich bin der Gerold Wendel, Wir ziehen an den Hof zu zwein, Der andre ist ein Konrad Und nennt sich Lützelstein. Der duckt sich etwo anders Vor Blitzgezuck und Wetterzorn Und bläst mich morgen munter Mit seinem Jägerhorn. Einsiedel, frommer Bruder, Ihr sehet, wie es um mich steht! Gewährt mir Euer Lager Und sprecht mein Nachtgebet!» Er lallt es, halb entschlummert, Und streckt die Glieder aus zur Ruh, Einsiedel deckt sein Lämpchen Mit beiden Händen zu. «Wie lieblich ist die Jugend! Hätt ich ein Füllhorn voller Glück, Ich leert es dir zu Häupten, Es bliebe nichts zurück.» Der Schlummrer wird zum Träumer, In hast'gen Worten redet er, Lacht, weint in einem Atem Und wirft sich hin und her. - «Ich habe Blut vergossen!» Einsiedel faßt besorgt ihn an. «Du träumst nicht gut. Erwache! Die Augen aufgetan!» Er starrt mit wilden Blicken. «Mein Kind, wie hast du mich erschreckt!» - «Einsiedel, frommer Bruder, Ich bin mit Blut bedeckt. Wir saßen unter Linden, Ich und der Konrad Lützelstein, Ein Fräulein von dem Hofe Bot lachend uns den Wein. Sie streift' mich mit dem Ärmel, Die binsenschlank gewachsen war Sie hatte schnelle Augen Und aschenblondes Haar. Sie streift mich mit der Achsel Und lispelt mir ins Ohr hinein "Wilt, junger Edelknabe, Mein Trautgeselle sein?" Da schwang man einen Reigen, Sie reigte mit dem Lützelstein- "Will, junger Edelknabe, Mein Trautgeselle sein?" Mir schwoll die Brust vor Eifer, Ein Hader reißt die Klingen bloß- "Herzbruder, mein Herzbruder, Gabst mir den Todesstoß!"»... Einsiedel mahnt: «Erwache!» Und schiebt zurück sein Fensterlein. Da ströme mit Tannendüften Ein Erdgeruch herein. Und horch, ein Hifthorn schmettert Und eine frische Stimme schallt: «Wo steckt der Gerold Wendel? Den such ich durch den Wald!»
Vier Balladen für Bariton , opus 18a
by Julius Weismann (1879 - 1950)
1. Einsiedel  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Authorship:
- by Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898)
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Researcher for this page: Ferdinando Albeggiani2. Der Kaiser und das Fräulein  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Hoch am Septimer, dem Kaiserpasse - Denn die Kaiser pflegten nach Italien Über dieses Bergesjoch zu reiten - Hielt ich unter steilen Sonnenstrahlen Mittagsrast. Mir gegenüber wand sich Um den Felsen noch ein Stück des alten Saumwegs, schwebend über jähem Abgrund. Mittag ist des Berges Geisterstunde. In die Sonne blinzelt ich. Ein Hornruf! Banner flattern. Schwert und Bügel klirren. Fraun und Ritter gleiten aus den Sätteln. Sorglich leiten Säumer scheue Rosse. Die gestrenge Kaisrin seh ich schreiten, Ein versteinert Weib mit harten Zügen. Hinter ihr die Fräulein. Einer Zarten Schwindelt plötzlich. Ihre Kniee wanken. Sich entfärbend lehnt sie an die Bergwand... Rasch ein Held - er trägt das Kaiserkrönlein Um die Kappe - fängt in seinen mächt'gen Armen auf das wanke Kind und trägt es An die Brust gedrückt. Das Mädchen schwebte Sicher überm Abgrund und er raubt, ihr Einen flücht'gen Kuß. Da schwand das Blendwerk. Weiter pilgernd rätselt ich ein Weilchen: War es einer der Ottonen oder War's ein Heinrich oder war's ein Friedrich, Der die wehrlos Schwebende geküßt hat?
Authorship:
- by Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898), "Der Kaiser und das Fräulein"
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]3. Der Knabe im Moor  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
O schaurig ist's übers Moor zu gehn, Wenn es wimmelt vom Heiderauche, Sich wie Phantome die Dünste drehn Und die Ranke häkelt am Strauche, Unter jedem Tritte ein Quellchen springt, Wenn aus der Spalte es zischt und singt! -- O schaurig ist's übers Moor zu gehn, Wenn das Röhricht knistert im Hauche! Fest hält die Fibel das zitternde Kind Und rennt als ob man es jage; Hohl über die Fläche sauset der Wind -- Was raschelt drüben am Hage? Das ist der gespenstige Gräberknecht, Der dem Meister die besten Torfe verzecht; Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind! Hinducket das Knäblein zage. Vom Ufer starret Gestumpf hervor, Unheimlich nicket die Föhre, Der Knabe rennt, gespannt das Ohr, Durch Riesenhalme wie Speere; Und wie es rieselt und knittert darin! Das ist die unselige Spinnerin, Das ist die gebannte Spinnlenor', Die den Haspel dreht im Geröhre! Voran, voran, nur immer im Lauf, Voran als woll' es ihn holen! Vor seinem Fuße brodelt es auf, Es pfeift ihm unter den Sohlen Wie eine gespenstige Melodei; Das ist der Geigemann ungetreu, Das ist der diebische Fiedler Knauf, Der den Hochzeitheller gestohlen! Da birst das Moor, ein Seufzer geht Hervor aus der klaffenden Höhle; Weh, weh, da ruft die verdammte Margret: "Ho, ho, meine arme Seele!" Der Knabe springt wie ein wundes Reh; Wär' nicht Schutzengel in seiner Näh', Seine bleichenden Knöchelchen fände spät Ein Gräber im Moorgeschwele. Da mählich gründet der Boden sich, Und drüben, neben der Weide, Die Lampe flimmert so heimatlich, Der Knabe steht an der Scheide. Tief atmet er auf, zum Moor zurück Noch immer wirft er den scheuen Blick: Ja, im Geröhre war's fürchterlich, O schaurig war's in der Heide!
Authorship:
- by Annette Elisabeth, Freiin von Droste-Hülshoff (1797 - 1848), "Der Knabe im Moor"
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Jane K. Brown) , "The boy in the bog", copyright © 2015, (re)printed on this website with kind permission
4. Alte Schrift  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Jüngst verlockt, es mich im Abendglimmen Zum Lombardenturm emporzuklimmen, Dem verschollnen Herrscher hier im Gaue, Der die Ferne noch beherrscht, die blaue. In den Mauern bin ich lang geblieben: Alte Namen standen rings geschrieben Hoch im Raume, wo die Luken schimmern, Doch die Wendeltreppe lag in Trümmern. Die den Blick ins Weite dort gerichtet, Ihre Wanderstäbe sind vernichtet, Ihre leichten Mäntel sind verstoben, Ihre Sprüche blieben aufgehoben. Einer dichtet anno fünfzehnhundert: "Gott hab ich in der Natur bewundert!" "Gaudeamus!" gräbt ein flotter Zecher Um den keck entworfnen Riesenbecher. Dort ein Herz von einem Pfeil durchschnitten: "Hedewig" steht auf des Bolzes Mitten; Dicht daneben schrieb ein Fahrtgenosse Gut lateinisch eine derbe Posse - Dann in des Kastelles tiefem Schatten Warfen sich die Schüler auf die Matten Leerten einen Humpen und von dannen Pilgerten sie singend durch die Tannen.
Authorship:
- by Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898), "Alte Schrift"
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]