O wie blüht mein Leib aus jeder Ader duftender, seitdem ich dich erkenn ; sieh, ich gehe schlanker und gerader, und du wartest nur -: wer bist du denn? Sieh : ich fühle, wie ich mich entferne , wie ich Altes, Blatt um Blatt, verlier. Nur dein Lächeln steht wie lauter Sterne über dir und bald auch über mir. Alles was durch meine Kinderjahre namenlos noch und wie Wasser glänzt, will ich nach dir nennen am Altare, der entzündet ist von deinem Haare und mit deinen Brüsten leicht bekränzt.
Four Poems from ‘Neue Gedichte’
Song Cycle by Robert Xavier Rodríguez (b. 1946)
1. Opfer  [sung text not yet checked]
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Opfer", appears in Neue Gedichte
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Sämtliche Werke, Band 1, Leipzig: Insel-Verlag, 1926, p.485
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
2. Die Laute  [sung text not yet checked]
Ich bin die Laute. Willst du meinen Leib beschreiben, seine schön gewölbten Streifen: sprich so, als sprächest du von einer reifen gewölbten Feige. Übertreib das Dunkel, das du in mir siehst. Es war Tullias Dunkelheit. In ihrer Scham war nicht so viel, und ihr erhelltes Haar war wie ein heller Saal. Zuweilen nahm sie etwas Klang von meiner Oberfläche in ihr Gesicht und sang zu mir. Dann spannte ich mich gegen ihre Schwäche, und endlich war mein Inneres in ihr.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Die Laute", written 1907, appears in Der neuen Gedichte anderer Teil, first published 1908
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Note: Tulia was a famous 16th century Italian courtesan.
Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Joost van der Linden [Guest Editor]
3. Das Karussell  [sung text not yet checked]
Mit einem Dach und seinem Schatten dreht sich eine kleine Weile der Bestand von bunten Pferden, alle aus dem Land, das lange zögert, eh es untergeht. Zwar manche sind an Wagen angespannt, doch alle haben Mut in ihren Mienen; ein böser roter Löwe geht mit ihnen und dann und wann ein weißer Elefant. Sogar ein Hirsch ist da, ganz wie im Wald, nur daß er einen Sattel trägt und drüber ein kleines blaues Mädchen aufgeschnallt. Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge und hält sich mit der kleinen heißen Hand, dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge. Und dann und wann ein weißer Elefant. Und auf den Pferden kommen sie vorüber, auch Mädchen, helle, diesem Pferdesprunge fast schon entwachsen; mitten in dem Schwunge schauen sie auf, irgendwohin, herüber - Und dann und wann ein weißer Elefant. Und das geht hin und eilt sich, daß es endet, und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel. Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet, ein kleines kaum begonnenes Profil -. Und manchesmal ein Lächeln, hergewendet, ein seliges, das blendet und verschwendet an dieses atemlose blinde Spiel...
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Das Karussell", subtitle: "Jardin du Luxembourg", appears in Neue Gedichte, first published 1892
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Le carrousel", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission
4. Der Schwan  [sung text not yet checked]
Diese Mühsal, durch noch Ungetanes schwer und wie gebunden hinzugehn, gleicht dem ungeschaffnen Gang des Schwanes. Und das Sterben, dieses Nichtmehrfassen jenes Grunds, auf dem wir täglich stehn, seinem ängstlichen Sich-Niederlassen - : in die Wasser, die ihn sanft empfangen und die sich, wie glücklich und vergangen, unter ihm zurückziehen, Flut um Flut; während er unendlich still und sicher immer mündiger und königlicher und gelassener zu ziehn geruht.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Der Schwan", appears in Neue Gedichte, first published 1892
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Le cygne", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission