Nicht daß ein Engel eintrat (das erkenn), erschreckte sie. Sowenig andre, wenn ein Sonnenstrahl oder der Mond bei Nacht in ihrem Zimmer sich zu schaffen macht, auffahren -, pflegte sie an der Gestalt, in der ein Engel ging, sich zu entrüsten; sie ahnte kaum, daß dieser Aufenthalt mühsam für Engel ist. (O wenn wir wüßten, wie rein sie war. Hat eine Hirschkuh nicht, die, liegend, einmal sie im Wald eräugte, sich so in sie versehn, daß sich in ihr, ganz ohne Paarigen, das Einhorn zeugte, das Tier aus Licht, das reine Tier.) Nicht, daß er eintrat, aber daß er dicht, der Engel, eines Jünglings Angesicht so zu ihr neigte: daß sein Blick und der, mit dem sie aufsah, so zusammenschlugen als wäre draußen plötzlich alles leer und, was Millionen schauten, trieben, trugen, hineingedrängt in sie: nur sie und er; Schaun und Geschautes, Aug und Augenweide sonst nirgends als an dieser Stelle -: sieh, dieses erschreckt. Und sie erschracken beide. Dann sang der Engel seine Melodie.
Mariae Verkündigung und Christi Geburt : Vier Bilder aus dem Marienleben nach Texten von Rainer Maria Rilke
Song Cycle by Ernst Ludwig Leitner (b. 1943)
Meditationen über die Altartafeln des Kefermarkter Altares
1. Mariä Verkündigung  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Mariae Verkündigung", appears in Das Marien-Leben, no. 3, first published 1912
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Stéphane Goldet) (Pierre de Rosamel) , "Annonciation", copyright © 2013, (re)printed on this website with kind permission
- ITA Italian (Italiano) (Ferdinando Albeggiani) , "L'annunciazione di Maria", copyright © 2009, (re)printed on this website with kind permission
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