„O Freund, erhebe dein gesenktes Haupt, denn siehe, deine Schwester nahte leise und rührt mit sanftem Finger dir die Schulter und will dem Bruder künden: Frühling kam, und alles Leben wird ein Blühen sein, und alle Trauer werde hohes Glück.“ „O Schwester, hebe deinen sanften Finger von meiner Schulter, einsam mich zu lassen und mühe nicht um mein gesenktes Haupt. Ich wandle fern euerm Blüh'n und Leben. Denn also ist das Zeichen meiner Stirne: Dein Glück wird eine große Trauer sein.“
Beatrix und der Sänger. Fünf Zwiegesänge
Song Cycle by Johanna Müller-Hermann (1878 - 1941)
1.
Language: German (Deutsch)
Text Authorship:
- by Walter Calé (1881 - 1904)
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Researcher for this page: Johann Winkler2.
Language: German (Deutsch)
„Die ander'n sagten deinem Herzen vieles, nur meine Lippen blieben stumm. Vergib vor lauter Seligkeiten, dass du kamest.“ „Du irrst, mein Bruder, und ich hörte dich!“ „Ich irre nicht, die Lippen blieben stumm vor lauter Seligkeiten ohne Worte.“ „Die Lippen nicht, ich hörte deine Seele.“ „Die Seele blieb verstummt, ich irre nicht, und keine Worte kamen von der Seele.“ „Du irrst, Geliebter, und ich hörte dich, deine stumme Seele hört' ich singen, singen!“
Text Authorship:
- by Walter Calé (1881 - 1904)
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Researcher for this page: Johann Winkler3.
Language: German (Deutsch)
„Ich habe meine Seele dir ergossen gleich einem Tranke hin zu deinen Füßen, und meine Leiden strömten aus der Schale, und meine Wonnen leuchteten in Strömen, und nur ein Opfer war die Seele, Schwester, und du erkanntest, also liebtest du. Und eines noch: Ich scheide, segne mich! Für alles Leben denn: Ich segne dich!“ „Ich habe deine Seele dir ergeben, in deine Hände gab ich meine Seele. Du nahmest sie, da war es eine Blüte, du hegtest sie, und sie erschloss sich dir, und zart und stolz und trauernd war die Blüte, und nichts als eine Blüte war die Seele, und du erkanntest, also liebtest du. Und eines noch: Ich scheide, segne mich! Für alles Leben denn: Ich segne dich!“
Text Authorship:
- by Walter Calé (1881 - 1904)
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Researcher for this page: Johann Winkler4.
Language: German (Deutsch)
Wir werden vor die großen Wasser treten, und wo die Wogen heben, Wogen sinken, da werden wir der Hülle uns entringen und werden heben uns und werden schweben und werden einen leichten Reigen tanzen wie zweien Flammen über große Wasser. Und wo die Wogen singen, Wogen singen, da wird ein Singen gehen von den Flammen und wird ein Singen sein zu leichtem Reigen gleich fernem Rufen über großen Wassern. Wir Hüllenlosen schweben gleich der Flamme. Wir steigen auf und schweben und verschweben. Wir werden aber beide wiederkommen zu jener Zeit, da es geschrieben steht.
Text Authorship:
- by Walter Calé (1881 - 1904)
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Researcher for this page: Johann Winkler5.
Language: German (Deutsch)
An einem Tage, welcher herrlich glühte, da Sonne über unsern Häuptern war und Blüten wogten und die Wipfel wogten und Duft des Frühlings ging und alle Wonne, da sah ich, Schwester, dich das letzte Mal. Da schrittest du so schlank und hell gewandet und wie im Traume neben deinem Freund, und deine Blicke nur klagten ein Wehe, und deine Lippen blieben so geschlossen, und nur ein Schweigen kam das letzte Mal. Da sprach ich von den Tagen, welche gingen, von Seligkeiten uns'rer heil'gen Stunde, bis deine Augen leuchten in Gedenken und deine scheuen Lippen sich eröffnen und Rede kam von dir das letzte Mal. Und als der Wolken Röte tiefer schwoll und Sehnen schwoll, und alle Vögel sangen und abendlicher Duft gelinde wallte und Strömen war und Glühen selig, selig, da auf dem letzten Gange du und ich, da wurde selig unser letzter Gang. In Eines strömten wir das letzte Mal.
Text Authorship:
- by Walter Calé (1881 - 1904)
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