Rose, du thronende, denen im Altertume warst du ein Kelch mit einfachem Rand. Uns aber bist du die volle zahllose Blume, der unerschöpfliche Gegenstand. In deinem Reichtum scheinst du wie Kleidung um Kleidung um einen Leib aus nichts als Glanz; aber dein einzelnes Blatt ist zugleich die Vermeidung und die Verleugnung jedes Gewands. Seit Jahrhunderten ruft uns dein Duft seine süssesten Namen herüber; plötzlich liegt er wie Ruhm in der Luft. Dennoch, wir wisssen ihn nicht zu nennen, wir raten Und Erinnerung geht zu ihm über, die wir von rufbaren Stunden erbaten.
4 Rilke-Lieder
Song Cycle by Werner Wolf Glaser (1913 - 2006)
1. Rose, du thronende  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Die Sonette an Orpheus 2, no. 6
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Die Sonette an Orpheus, Leipzig: Insel-Verlag, 1923
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
2. Blumenmuskel, der der Anemone  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Blumenmuskel, der der Anemone Wiesenmorgen nach und nach erschließt, bis in ihren Schooß das polyphone Licht der lauten Himmel sich ergießt, in den stillen Blütenstern gespannter Muskel des unendlichen Empfangs, manchmal so von Fülle übermannter, daß der Ruhewink des Untergangs kaum vermag die weitzurückgeschnellten Blatterränder dir zurückzugeben: du, Entschluß und Kraft von wieviel Welten! Wir, Gewaltsamen, wir währen länger. Aber wann, in welchem aller Leben, sind wir endlich offen und Empfänger?
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), appears in Die Sonette an Orpheus 2, no. 5
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Guy Laffaille) , "Blumenmuskel", copyright © 2014, (re)printed on this website with kind permission
3. O Brunnen‑Mund  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
O Brunnen-Mund, du gebender, du Mund, der unerschöpflich Eines, Reines, spricht, — du, vor des Wassers fließendem Gesicht, marmorne Maske. Und im Hintergrund der Aquädukte Herkunft. Weither an Gräbern vorbei, vom Hang des Apennins tragen sie dir dein Sagen zu, das dann am schwarzen Altern deines Kinns vorüberfällt in das Gefäß davor. Dies ist das schlafend hingelegte Ohr, das Marmorohr, in das du immer sprichst. Ein Ohr der Erde. Nur mit sich allein redet sie also. Schiebt ein Krug sich ein, so scheint es ihr, daß du sie unterbrichst.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Die Sonette an Orpheus 2, no. 15
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]4. Nur im Raum der Rühmung  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Nur im Raum der Rühmung darf die Klage gehn, die Nymphe des geweinten Quells, wachend über unserm Niederschlage, daß er klar sei an demselben Fels, der die Tore trägt und die Altäre. – Sieh, um ihre stillen Schultern früht das Gefühl, daß sie die jüngste wäre unter den Geschwistern im Gemüt. Jubel weiß, und Sehnsucht ist geständig, – nur die Klage lernt noch; mädchenhändig zählt sie nächtelang das alte Schlimme. Aber plötzlich, schräg und ungeübt, hält sie doch ein Sternbild unsrer Stimme in den Himmel, den ihr Hauch nicht trübt.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), appears in Die Sonette an Orpheus 1, no. 8
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