Wie ist der hülflos, der mit nichts als Worten aussagen soll wie er dich fühlt und sieht; dieweil dein Leben festlich sich vollzieht wie aufgehoben, wie in Sopraporten in welchen neben dir ein Engel kniet. Ein Engel - : ein im Himmlischen Zerstreuter, der um dich ist seitdem du hier erschienst; kaum jemals trauriger, kaum je erfreuter, doch immer strahlender in deinem Dienst: so hingegeben wie an große Räume an dich, du weite, unbekannte Welt, und wie ein Kind in seine ersten Träume so atemlos in dich hineingestellt. Beschäftigt, dir dein Leben hinzureichen, die Stunde, die du grade ihm bestimmst, und schwindelnd von der Größe ohne gleichen mit der du sie aus seinen Händen nimmst: verbraucht er seine vielen Ewigkeiten in deiner Zeit wie einen kurzen Tag. Er wird nie wieder heimgekehrt zu seiten der andern Engel im Aeropag des Himmels stehn; auch nicht im Weltgerichte. Sein Platz wird leer sein auf der Engelsbank. Doch man wird sagen von dem Angesichte an dem ein Engel lebte und ertrank.
Rilke-Zyklus
Song Cycle by Jürg Itten
1. Der Engel  [sung text not yet checked]
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Der Engel", appears in Die Gedichte 1906 bis 1910
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, rilke.de
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2. Die Genesende  [sung text not yet checked]
Wie ein Singen kommt und geht in Gassen und sich nähert und sich wieder scheut, flügelschlagend, manchmal fast zu fassen und dann wieder weit hinausgestreut : spielt mit der Genesenden das Leben ; während sie, geschwächt und ausgeruht, unbeholfen, um sich hinzugeben, eine ungewohnte Geste tut. Und sie fühlt sich beinah wie Verführung, wenn die hartgewordne Hand, darin Fieber waren voller Widersinn, fernher, wie mit blühender Berührung, zu liebkosen kommt ihr hartes Kinn.
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Die Genesende", appears in Neue Gedichte
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Gedichte, Leipzig, Insel-Verlag, 1927, p.57
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
3. Der Schutzengel  [sung text not yet checked]
Du bist der Vogel, dessen Flügel kamen, wenn ich erwachte in der Nacht und rief. Nur mit den Armen rief ich, denn dein Namen ist wie ein Abgrund, tausend Nächte tief. Du bist der Schatten, drin ich still entschlief, und jeden Traum ersinnt in mir dein Samen, - du bist das Bild, ich aber bin der Rahmen, der dich ergänzt in glänzendem Relief. Wie nenn ich dich? Sieh, meine Lippen lahmen. Du bist der Anfang, der sich groß ergießt, ich bin das langsame und bange Amen, das deine Schönheit scheu beschließt. Du hast mich oft aus dunklem Ruhn gerissen, wenn mir das Schlafen wie ein Grab erschien und wie Verlorengehen und Entfliehn, - da hobst du mich aus Herzensfinsternissen und wolltest mich auf allen Türmen hissen wie Scharlachfahnen und wie Draperien. Du: der von Wundern redet wie vom Wissen und von den Menschen wie von Melodien und von den Rosen: von Ereignissen, die flammend sich in deinem Blick vollziehn, - du Seliger, wann nennst du einmal Ihn, aus dessen siebentem und letztem Tage noch immer Glanz auf deinem Flügelschlage verloren liegt... Befiehlst du, dass ich frage?
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Der Schutzengel", written 1899, appears in Das Buch der Bilder, first published 1920
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "L'ange gardien", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission
- ITA Italian (Italiano) (Ferdinando Albeggiani) , "L'angelo custode", copyright © 2009, (re)printed on this website with kind permission
4. Abend
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Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
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5. Ich liess meinen Engel lange nicht los  [sung text not yet checked]
Ich ließ meinen Engel lange nicht los, und er verarmte mir in den Armen und wurde klein, und ich wurde groß: und auf einmal war ich das Erbarmen, und er eine zitternde Bitte bloß. Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, - und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand; er lernte das Schweben, ich lernte das Leben, und wir haben langsam einander erkannt...
Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, written 1898, appears in Frühe Gedichte, in Engellieder, no. 1, first published 1899
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Researcher for this page: Claus-Christian Schuster [Guest Editor]