Ich sah ein Mädchen ohne Mängel; es war ein Mädchen wie ein Engel, so eines hab' ich nie erblickt! Du magst mir alle Mädchen nennen, du magst, du magst für alle brennen: So hat dich kein's, wie mich, entzückt! Sie war bescheiden, doch nicht blöde, voll strenger Tugend, doch nicht spröde, war witzig ohne Spötterei, vernünftig, warmes Blut im Herzen, ernst, doch nicht abhold klugen Scherzen, fromm, aber ohne Gleisnerei, sprach viel, nicht stets, nicht zu belehren, sang - Plaud'rer schwiegen, sie zu hören, nahm Lob an mit Bescheidenheit. Ein Blick, der sanften Feuers glühte, ein Antlitz, das wie Rosen blühte, ein Leib rundum voll Lieblichkeit. "O Freund, das Mädchen muss ich küssen! Lass mich des Mädchens Namen wissen! Schon ist es um mein Herz gescheh'n! Wo soll ich nach dem Mädchen fragen?" Ach Freund, das kann ich dir nicht sagen: Im Traume nur hab' ich's geseh'n.
Drey Gedichte aus Gerstenbergs poetischem Wäldchen
Song Cycle by Daniel Friedrich Rudolph Kuhlau (1786 - 1832)
1. Der Traum
Language: German (Deutsch)
Text Authorship:
- by Heinrich (Hans) Wilhelm von Gerstenberg (1737 - 1823), "Der Traum", subtitle: "Nach einem Ungenannten", appears in Poetisches Wäldchen
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Confirmed with Gerstenbergs vermischte Schriften, zweiter Band, ed. by the Author, Altona: J. F. Hammerich, 1815. Appears in Poetisches Wädlchen.
Research team for this page: Melanie Trumbull , Johann Winkler
2. Orpheus
Language: German (Deutsch)
Orpheus, als du mit Tränen deine Geliebte sangest, rief wehklagend mit dir der Nachhall neunmal: Eurydike! Dies Wort durchlief die Täler, der West trug's ächzend weiter; Felsen und Höhlen klagten dir nach: Eurydike! Könnt' ich wie Orpheus singen, Laura, und ach! dich risse, wie am Hebrus, die Todesparze grausam aus meinem Arm: Doch könnt' ich nicht dem Nachhall den Namen Laura singen, nein, die betränten Saiten erklängen nicht von dir. Sterben, Geliebte, würd' ich, sterben vor Kummer, Laura! Aus dem verhassten Körper würd' ich vor Schmerz entflieh'n. Hielt' aber eine Gottheit gebiet'risch mich zurücke, schweigend und ernst durchtrau'rt ich die lange Mitternacht. Welket, verfall'ne Wangen, müde gerung'ne Hände; wehe des langen Lebens, Laura, so würd' ich alt. Wenn dann die Hand der Parze mich von der Qual befreite, würd' ich, in einen Seufzer verhaucht, zur Nachtigall. Ihr, die ihr dann im Lenze Schatten der Haine suchet, die ihr mit euren Lieben fröhlich den Hain durchstreift, wenn unter Nachtigallen ihr eine hört, die bänger schluchzend ihr Weh verlängert: Dann, Freunde, hört ihr mich.
Text Authorship:
- by Heinrich (Hans) Wilhelm von Gerstenberg (1737 - 1823)
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Researcher for this page: Johann Winkler3. Der erste Mai
Language: German (Deutsch)
Der erste Tag im Monat Mai war mir der schönste Tag von allen: Dich sah ich und gestand dir frei, dass erst mit dir der erste Mai mein schönster Tag von allen sei. Hat dies Geständnis dir gefallen, so war für mich der erste Mai zugleich der glücklichste von allen.
Text Authorship:
- possibly by Heinrich (Hans) Wilhelm von Gerstenberg (1737 - 1823) [an adaptation]
Based on:
- a text in German (Deutsch) by Friedrich von Hagedorn (1708 - 1754), title 1: "Der erste Mai", title 2: "Der erste May", written 1732, appears in Oden und Lieder
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