Denk ich an Deutschland in der Nacht, Dann bin ich um den Schlaf gebracht, Ich kann nicht mehr die Augen schließen, Und meine heißen Tränen fließen. Die Jahre kommen und vergehn! Seit ich die Mutter nicht gesehn, Zwölf Jahre sind schon hingegangen; Es wächst mein Sehnen und Verlangen. Mein Sehnen und Verlangen wächst. Die alte Frau hat mich behext, Ich denke immer an die alte, Die alte Frau, die Gott erhalte! Die alte Frau hat mich so lieb, Und in den Briefen, die sie schrieb, Seh ich, wie ihre Hand gezittert, Wie tief das Mutterherz erschüttert. Die Mutter liegt mir stets im Sinn. Zwölf lange Jahre flossen hin, Zwölf lange Jahre sind verflossen, Seit ich sie nicht ans Herz geschlossen. Deutschland hat ewigen Bestand, Es ist ein kerngesundes Land, Mit seinen Eichen, seinen Linden, Werd ich es immer wiederfinden. Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr, Wenn nicht die Mutter dorten wär; Das Vaterland wird nie verderben, Jedoch die alte Frau kann sterben. Seit ich das Land verlassen hab, So viele sanken dort ins Grab, Die ich geliebt - wenn ich sie zähle, So will verbluten meine Seele. Und zählen muß ich - Mit der Zahl Schwillt immer höher meine Qual, Mir ist, als wälzten sich die Leichen, Auf meine Brust - Gottlob! sie weichen! Gottlob! durch meine Fenster bricht Französisch heitres Tageslicht; Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen, Und lächelt fort die deutschen Sorgen.
Denk' ich an Deutschland in der Nacht
Set by Günter Bialas (1907 - 1992), "Denk' ich an Deutschland in der Nacht", 1991, published c1991, stanzas 1-9 of the second poem [Sung Text]
Note: this setting is made up of several separate texts.
Text Authorship:
- by Heinrich Heine (1797 - 1856), "Nachtgedanken", appears in Neue Gedichte, in Zeitgedichte, no. 24
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]Im traurigen Monat November wars, Die Tage wurden trüber, Der Wind riß von den Bäumen das Laub, Da reist ich nach Deutschland hinüber. Und als ich an die Grenze kam, Da fühlt ich ein stärkeres Klopfen In meiner Brust, ich glaube sogar Die Augen begunnen zu tropfen. Und als ich die deutsche Sprache vernahm, Da ward mir seltsam zu Mute; Ich meinte nicht anders, als ob das Herz Recht angenehm verblute. Ein kleines Harfenmädchen sang. Sie sang mit wahrem Gefühle Und falscher Stimme, doch ward ich sehr Gerühret von ihrem Spiele. Sie sang das alte Entsagungslied, Das Eiapopeia vom Himmel, Womit man einlullt, wenn es greint, Das Volk, den großen Lümmel. Ich kenne die Weise, ich kenne den Text, Ich kenn auch die Herren Verfasser; Ich weiß, sie tranken heimlich Wein Und predigten öffentlich Wasser. Ein neues Lied, ein besseres Lied, O Freunde, will ich Euch dichten! Wir wollen hier auf Erden schon Das Himmelreich errichten. Wir wollen auf Erden glücklich sein, Und wollen nicht mehr darben; Verschlemmen soll nicht der faule Bauch Was fleißige Hände erwarben. Es wächst hienieden Brot genug Für alle Menschenkinder, Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust, Und Zuckererbsen nicht minder. Ja, Zuckererbsen für jedermann, Sobald die Schoten platzen! Den Himmel überlassen wir Den Engeln und den Spatzen. Und wachsen uns Flügel nach dem Tod, So wollen wir Euch besuchen Dort oben, und wir, wir essen mit Euch Die seligsten Torten und Kuchen. Ein neues Lied, ein besseres Lied, Es klingt wie Flöten und Geigen! Das Miserere ist vorbei, Die Sterbeglocken schweigen. Die Jungfer Europa ist verlobt Mit dem schönen Genusse Der Freiheit, sie liegen einander im Arm, Und schwelgen im ersten Kusse. Und fehlt der Pfaffensegen dabei, Die Ehe wird gültig nicht minder Es lebe Bräutigam und Braut, Und ihre zukünftigen Kinder! Ein Hochzeitskarren ist mein Lied, Das bessere, das neue! In meiner Seele gehen auf Die Sterne der höchsten Weihe Begeisterte Sterne, sie lodern wild, Zerfließen in Flammenbächen Ich fühle mich wunderbar erstarkt, Ich könnte Eichen zerbrechen! Seit ich auf deutsche Erde trat, Durchströmen mich Zaubersäfte Der Riese hat wieder die Mutter berührt, Und es wuchsen im neu die Kräfte.
Text Authorship:
- by Heinrich Heine (1797 - 1856), no title, appears in Deutschland. Ein Wintermärchen, no. 1
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Leonard J[ordan] Lehrman) , stanza 1 [an adaptation]
- ENG English (Leonard J[ordan] Lehrman) , stanza 7 [an adaptation]
Author(s): Heinrich Heine (1797 - 1856)