by Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898)
Die Jungfrau See original
Language: German (Deutsch)
Wo sah ich Mädchen, deine Züge, die drohenden Augen lieblich wild, noch frei von Eitelkeit und Lüge? Auf Buonarottis großem Bild: Der Schöpfer senkt sich sachten Fluges zum Menschen, welcher schlummernd liegt, im Schoße seines Mantelbuges ruht himmlisches Gesind geschmiegt. Voran ein Wesen, nicht zu nennen, von Gottes Mantel keusch umwallt, des Weibes Züge, zu erkennen in einer schlanken Traumgestalt. Sie lauscht, das Haupt hervorgewendet, mit Augen schaut sie, tief erschreckt, wie Adam er den Funken spendet und seine Rechte mahnend reckt. Sie sieht den Schlumm'rer sich erheben, der das bewußte Sein empfängt, auch sie sehnt dunkel sich, zu leben, an Gottes Schulter still gedrängt - So harrst du vor des Lebens Schranke, noch ungefesselt vom Geschick, ein unentweihter Gottgedanke, und öffnest staunend deinen Blick.
Composition:
- Set to music by Othmar Schoeck (1886 - 1957), "Die Jungfrau", op. 60 no. 16 (1946) [ medium voice and piano ], from Das stille Leuchten: Liederfolge nach Gedichten von Conrad Ferdinand Meyer, no. 16, Wien: Universal Edition
Text Authorship:
- by Conrad Ferdinand Meyer (1825 - 1898), "Die Jungfrau", appears in Gedichte, in 1. Vorsaal
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Research team for this page: Caroline Diehl , Melanie Trumbull
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Line count: 24
Word count: 126