Herz, mein Herz, was soll das geben, Was bedränget dich so sehr? Welch ein fremdes neues Leben! Ich erkenne dich nicht mehr. Weg ist alles, was du liebtest, Weg, [warum]1 du dich betrübtest, Weg dein Fleis und deine Ruh; Ach! wie kamst du mir dazu? Fesselt dich die Jugendblüthe? Diese liebliche Gestalt, Dieser Blick voll Treu und Güte, Mit unendlicher Gewalt? Will ich rasch mich ihr entziehen, Mich ermannen, ihr entfliehen; Führet mich im Augenblick Ach! mein Weg zu ihr zurück. Und an diesem [Zauberpfädchen]2, Das sich nicht zerreißen läßt, Hält das liebe lose Mädchen Mich so wider Willen fest; Muß in ihrem Zauberkreise Leben nun auf ihre Weise. Die Verwandlung, ach! wie groß! Liebe! Liebe laß mich los! Mir schlug das Herz; geschwind zu Pferde, Und fort, wild, wie ein Held zur Schlacht! Der Abend wiegte schon die Erde, Und an den Bergen hieng die Nacht; Schon stund im Nebelkleid die Eiche, Ein aufgethürmter Riese, da, Wo Finsterniß aus dem Gesträuche Mit hundert schwarzen Augen sah. Der Mond von seinem Wolkenhügel, Schien kläglich aus dem Duft hervor; Die Winde schwangen leise Flügel, Umsausten schauerlich mein Ohr; Die Nacht schuf tausend Ungeheuer - Doch tausendfacher war mein Muth; Mein Geist war ein verzehrend Feuer, Mein ganzes Herz zerfloß in Gluth. Ich sah dich, und die milde Freude Floß aus dem süßen Blick auf mich. Ganz war mein Herz an deiner Seite, Und jeder Athemzug für dich. Ein rosenfarbes Frühlings Wetter Lag auf dem lieblichen Gesicht, Und Zärtlichkeit für mich, ihr Götter! Ich hoft' es, ich verdient' es nicht. Der Abschied, wie bedrängt, wie trübe! Aus deinen Blicken sprach dein Herz. In deinen Küssen, welche Liebe, O welche Wonne, welcher Schmerz! Du giengst, ich stund, und sah zur Erden, Und sah dir nach mit nassem Blick; Und doch, welch Glück! geliebt zu werden, und lieben, Götter, welch ein Glück!
Confirmed with Iris. Zweyter Band. Düsseldorf 1775. Des Zweyten Bandes Drittes Stück. März 1775, pages 145-147 (or pages 242-245 in the reprint).
Note: In this first edition of poem, edited by J. G. Jacobi, an earlier version of Goethe's Willkommen und Abschied is attached as stanzas 4-7 to the three stanzas of his Neue Liebe, neues Leben; the author of the poem remains anonymous. This publication has soon been reprinted with a different typesetting, slightly different spelling, and other small changes.
1 "worum" in the reprint2 "Zauberfädchen" in the reprint
Authorship:
- by Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832), "Neue Liebe, Neues Leben", first published 1775 [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
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Set in a modified version by Karl Appel, Ludwig van Beethoven, Victor Emanuel Bendix, J. Brixner, August Leopold Crelle, Friedrich, Freiherr von Dalberg, Moritz, Graf von Dietrichstein, Friedrich Wilhelm Grund, Moritz Hauptmann, Heinrich Karl Johann Hofmann, Gustav Jansen [not F. G. Jansen], Fanny Mendelssohn-Hensel, Hermann Müller, Hans Georg Nägeli, Johann Friedrich Reichardt, Karl Gottlieb Reissiger, Franz Ries, Franz Rudolph, Louis [Ludwig] Spohr, August Heinrich von Weyrauch, Karl Friedrich Zelter.
Researcher for this text: Peter Rastl [Guest Editor]
This text was added to the website: 2017-10-29
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