by Wilhelm Ritter von Hertz, Dr. (1835 - 1902)
Vergänglichkeit
Language: German (Deutsch)
Ich sah das Laub so manches Mal nach kurzem Lenz sich färben, ich sah in früher Todesqual manch teures Leben sterben. Der Liebe sel'ge Zeit ist um, verklungen Sang und Scherzen, und Wunsch und Hoffnung werden stumm, und öde wird's im Herzen. Wie wenn nach froh durchschwelgter Nacht der letzte von den Zechern im dämmergrauen Saal erwacht bei umgestürzten Bechern, so zeigt die Welt mir unverhüllt die fahlen Greisenzüge, und ich erkenne schamerfüllt des Lebens große Lüge. Doch zürnend wehr' ich meinem Schmerz und sag' zu meinem Herzen: Ja, schäme dich, du töricht' Herz, doch schäm' dich deiner Schmerzen! Wohl wusstest du, dass Lenz und Lust dir enden soll mit Wehen; was zagst du nun, da dir bewusst: Auch dieses wird vergehen. O Wunderstrom, Vergänglichkeit, heilbringend wie verderblich! Mein Glück ist tot, nun lebt mein Leid, doch auch mein Leid ist sterblich. Die Welt, mein Herz, ist Dunst und Schaum, ein Bild vor irren Sinnen, und wird dir wie ein banger Traum in stille Nacht zerrinnen.
Authorship:
- by Wilhelm Ritter von Hertz, Dr. (1835 - 1902) [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Heinrich Esser (1818 - 1872), "Vergänglichkeit", op. 67 no. 5 [ voice and piano ], from 6 Lieder aus dem Münchner Dichterbuche für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte, no. 5 [sung text checked 1 time]
Researcher for this page: Johann Winkler
This text was added to the website: 2021-05-19
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