by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Liebe gute Fürstin
Language: German (Deutsch)
An Fürstin Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe Venedig, San Vio, Palazzo Valmarana, am dritten August neunzehnhundertzwölf Liebe gute Fürstin, ich muss Ihnen erzählen, neulich hatt' ich einen Brief von einem mir unbekannten jungen Menschen aus dem Sächsischen, der mir eine Menge Détails über meine Familie schreibt, und der die Gegenden gut kennt, in denen die einstigen Besitzungen meiner Vorfahren sich ausbreiten; diese Güter reichen weit in die Bergwerksgebiete von Freiberg hinein, und in der Tat waren die Rilkes unter den ersten, die die Bleigruben ausbeuteten. Toledo, Hôtel de Castilla, Sonntag, neunzehnhundertzwölf ...wir sind einer recht aufdringlicher Kälte in die Hände gefall'n und es gibt nichts, was auf mich mehr wie Schicksal wirkt, als dieses penetrante Frieren, das mich nicht anders wehrlos findet als irgend einen jungen Hund, von dem noch nicht einmal recht entschieden ist, wie er heisst. Hotel Reina Victoria, Ronda, Spanien am siebzehnten Dezember neun- zehnhundertzwolf es ist mein Los, gleichsam, am Menschlichen vorbei, ans Äuserste zu kommen, an den Rand der Erde, wie neulich in Cordoba, wo eine kleine hässliche Hündin, im höchsten Grade vormutterschaftlich, zu mir kam, so schwer es ihr fiel, und ihre von Sorge und Innerlichkeit vergrösserten Augen aufhob und meinen Blick begehrte, und in dem ihren war wahrhaftig alles, was über den Einzelnen hinausgeht, in die Zukunft oder ins Unbegreifliche; der Sinn und Ernst und unsere ganze Verständigung war grenzenlos. Le Prieuré d'Etoy, Canton de Vaud (Suisse), Sonntag, am zweiundzwanzigten Mai neunzehnhunderteinundzwanzig Danke für Ihre gütigen Auskünfte über das kleine Haus bei Padua; nein, das wird doch wohl nicht das sein was ich brauche: Sie haben recht, meine Bedürfnisse sind nicht zahlreich, aber siebenundhalb, die übrig bleiben müssen dann auch so einfach sie scheinen, mit peinlicher Präzision erfüllt sein, wenn es mir wirklich fruchtbar werden soll, das Ganze; das sah ich wieder in Berg, wie es da ganz Genauigkeit ankommt, um des inneren Gleichgewichts willen… Hôtel Chateau Bellevue, Sierre (Valais), am fünfundzwantigsten Juli, neunzehnhunderteinundzwanzig Dieses alte Manoir, ein Turm, dessen Gemäuer bis ins dreizehnte Jahrhundert zurückreicht, dessen Balkendecken und teilweise auch Einrichtungsgegenstände aus dem siebzehnten stammen, war zu verkaufen oder vernieten. Zu einem sehr billigen Preis, aber doch weit über die Möglichkeiten hinaus, die ich in Schweizer Franken realisieren könnte. Da hat nun vor'ge Woche einer meiner Freunde, der dieses sogenannte Château de Muzot längst kannte, das Haus gemietet, um es mir zur Verfügung zu stellen! Ihnen, gütigste Fürstin, tägliches herzliches Gedanken Ihr D.S.
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- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title [author's text not yet checked against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Caroline Ansink (b. 1959), "An Fürstin Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe", 1992, copyright © 1992 [ soprano, mezzo-soprano and piano ], from Liebe Freundinnen, chères amies, no. 7, Amsterdam : Donemus [sung text checked 1 time]
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
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