by Rudolph Baumbach (1840 - 1905)
Hell schimmert das alte Königsschloss
Language: German (Deutsch)
Available translation(s): ENG
I Hell schimmert das alte Königsschloss Im frühen Morgenrothe. Es steigt ein Edelknecht zu Ross, Muss reiten als Königsbote. Und als er aus dem Burgthor ritt Und über die hallende Brücke, Da hemmte er des Rosses Tritt Und wandte den Kopf zurücke. Was flatterte im Morgenlicht Von eines Thurmes Zinnen? Ein schwebender Vogel war es nicht, Ein Tüchlein war's von Linnen. Mit blanker Helleparte stund Der alte Wächter am Zwinger Und legte auf den bärtigen Mund Bedeutsam seinen Finger. II Hei, lustiger Ritt durch's Waldgeheg! Die Vögel flattern und singen, Und über die Büsche und über den Weg Die fleckigen Hirsche springen. Es schäumt und rauscht der Waldesborn, Es spielt der Wind in den Blättern; Der Reiter nimmt sein Helfanthorn Und lässt es lustig schmettern. "Halli, hallo! der Wald steht grün, Wird schöner mit jedem Morgen. Spring auf mein Herz, lass fröhlich blüh'n, Was tief darin verborgen, Es steigt der Königsadler hoch Bis über die eisigen Firnen, Doch heimliche Minne steigt höher noch Und kost mit des Himmels Gestirnen. Mir ist's, als hört' ich fort und fort Mich Engelflügel umrauschen, Nicht um den Nibelungenhort Möcht' ich mein Glücke tauschen. Ich habe geküsst zu trauter Stund Die junge Königinne Getrunken hab' ich von ihrem Mund Den seligen Trank der Minne." III Ein stolzer Jäger thät zur Stund Im grünen Eichwald streifen, Er trug an seines Helmes Rund Den goldenen Zackenreifen. Er sah den jungen Edelknecht Und hörte die jubelnde Stimme, Den Jagdspiess fasste er wurfgerecht Und spornte sein Ross im Grimme. Halt ein mit deinem Schallgesang, Befiehl dem Herrn deine Seele! Des Königs scharfe Waffe drang Dem Sänger durch die Kehle. Er sank vom Ross in Todesweh Und krümmte den Leib, den schlanken; Die Blumen und der grüne Klee Sein heisses Herzblut tranken. Der König zog sein Jagdgeschoss Dem Todten aus der Wunde, Er lenkte heim sein schwarzes Ross Und sprach mit höhnischem Munde: "Das heisse Herz ist still und kalt, Es werden die Geier und Raben, Die Wölfe und Fuchse im wilden Wald Dich und dein Lied begraben." IV Der Todte starrte in's Sonnenlicht; Rothkehlchen kam geflogen, Das hat das bleiche Angesicht Mit Blumen überzogen. Die Bäume schüttelten Zweig und Ast, Als fühlten sie Erbarmen Und unter einer Blätterlast Begruben sie den Armen. Ein Zitterbäumlein keimte auf, Beschattete den Hügel, Ein weisser Vogel sass darauf Und schwang die schimmernden Flügel. Und aus des Vogels Kehle quoll Ein Lied von süssem Schalle, Von seiner Glockenstimme scholl Des Waldes weite Halle. Was sang der Vogel fort und fort? Er sang von einem Knaben, Der fiel im Wald durch Meuchelmord Und liegt im Wald begraben. Er hat geküsst zu trauter Stund Die junge Königinne, Getrunken hat er von ihrem Mund Den seligen Trank der Minne. V Es schritt im grünen Waldesraum Ein Spielmann mit der Laute, Wollt' rasten unter dem Zitterbaum Im grünen Farrenkraute. Sein süsses Klagelied begann Der Vogel in den Zweigen, Der Spielmann hielt den Athem an, Es wurde das Lied sein eigen. Der Singer aus dem Eichwald schied, Thät rüstig fürder schreiten, Er trug in's Land hinaus das Lied Und sang's zum Spiel der Saiten. Da horchten auf im Wiesenland Die sensenschwingenden Männer, Die Hirten an des Waldes Rand, Beim Meiler die Kohlenbrenner. Er sang's den Bauern hinter'm Pflug, Den Fischern auf den Wellen, Es stimmten ein bei'm vollen Krug Die wandernden Gesellen. Er sang das Lied den Dirnen vor Am Abend bei der Linde, Er sang es unter dem Bogenthor Dem lauschenden Burggesinde. VI Es hob der König sich vom Mahl Und trat zum Fensterbogen, Da kam herauf zum Königssaal Ein Schallgesang geflogen: Ich habe geküsst zu trauter Stund Die junge Königinne, Getrunken hab' ich von ihrem Mund Den seligen Trank der Minne. Und lauter und heller zum Saal herauf Die mächtigen Töne schollen. Der König fasste des Schwertes Knauf, Und seine Adern schwollen. Sein Auge dunkle Nacht umfing, Bleich thät der Tod ihn färben, Der König starb, sein Reich verging. -- Ein Lied kann nie ersterben.
About the headline (FAQ)
Confirmed with Rudolf Baumbach, Spielmannslieder, Leipzig: Verlag von A. G. Liebeskind, 1883, pages 64-69.
Authorship:
- by Rudolph Baumbach (1840 - 1905), "Das begrabene Lied", appears in Spielmannslieder [author's text checked 2 times against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
- by Georg Bloch , "Das begrabene Lied", op. 41, published 1893 [ soli, mixed chorus and orchestra ], Berlin: Paez [sung text not yet checked]
- by Carl Hirsch (1858 - 1918), "Das begrabene Lied", op. 48, published 1889 [ tenor, baritone, bass, men's chorus and orchestra ], Berlin: Fr. Luckhardt [sung text not yet checked]
- by Carl Kleemann , "Das begrabene Lied", op. 15, published 1887 [ reciter with piano ], Leipzig: Kistner [sung text not yet checked]
- by Max Meyer-Olbersleben (1850 - 1927), "Das begrabene Lied", op. 40, published 1894 [ soprano, baritone, mixed chorus and orchestra ], Leipzig: Hug & Co. [sung text not yet checked]
- by Anton Grigoryevich Rubinstein (1829 - 1894), "Das begrabene Lied", 1890, published 1890 [ tenor and piano ], Leipzig, Senff [sung text not yet checked]
- by Wilhelm Sturm (1842 - 1922), "Das erstandene Lied", op. 90, published 1886 [ ttbb chorus ], Leipzig: Siegel; the song begins at stanza 6 [sung text not yet checked]
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