Ein Hering liebt eine Auster
Im kühlen Meeresgrund;
Es war sein Dichten und Trachten
Ein Kuß von ihrem Mund.

Die Auster, die war spöde,
Sie blieb in ihrem Haus;
Ob der Hering [sang und seufzte]1,
Sie schaute nicht heraus.

Nur eines Tags erschloß sie
Ihr duftig Schalenpaar;
Sie wollt' im Meeresspiegel
[Beschauen]2 ihr Antlitz klar.

[Schnell kam der Hering]3 geschwommen,
Streckt seinen Kopf herein
Und dacht an einem Kusse
In Ehren sich zu freu'n!

O [Harung, armer]4 Harung,
Wie schwer bist du blamiert!
-- Sie schloß in Wut die Schalen,
Da war er guillotiniert.

[Jetzt]5 schwamm sein toter Leichnam
Wehmütig im grünen Meer
Und dacht': „In meinem Leben
Lieb' ich keine Auster mehr!”

About the headline (FAQ)

View original text (without footnotes)

Confirmed with Gedichte aus dem Nachlaß von Joseph Viktor von Scheffel, Fünfte Auflage (fifth edition), Stuttgart, Verlag von Adolf Bonz & Comp., 1889, pages 21-22.

¹ Silcher: "seufzt' und flehte"
² Silcher: "Beschaun"
³ Silcher: "Der Hering kam"
⁴ Silcher: "armer, armer"
⁵ Silcher: "Nun"

Text Authorship:

• by Joseph Viktor von Scheffel (1826 - 1886), "Eine traurige Geschichte" [author's text checked 1 time against a primary source]

Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):

• by Gary Bachlund (b. 1947), "Eine traurige Geschichte", 2001 [ bass and piano ], from Das tierische Lied von der Erde, no. 3 [sung text checked 1 time]
• by (Philipp) Friedrich Silcher (1789 - 1860), "Hering und Auster" [sung text checked 1 time]

Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):

• ENG English (Gary Bachlund) , copyright © 2001, (re)printed on this website with kind permission

Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Johann Winkler

This text was added to the website: 2007-05-13
Line count: 24
Word count: 118