Die Nacht entfleucht, Die Sonne steigt Aus goldnem Wolkenmeere. Sie kommt voll Pracht, Und strahlt mit Macht Zu ihres Schöpfers Ehre. Schön blinkt der Thau Auf bunter Au, Der Vogel schwingt die Flügel, Die Lämmer ziehn Durch Wiesengrün, Schön duften Thal und Hügel. Die Schöpfung lacht, Der Wald erwacht, Und alle Vögel loben So wunderschön, In Wald und Höhn, Den guten Vater droben. Ihn lobt die Flur, Und die Natur Singt ihrem Schöpfer Lieder; Er ist so treu, Und immer neu Kehrt seine Güte wieder. So silberhell, Wie sich der Quell Durchs stille Thal ergießet, Gibt daß so klar Hier immerdar Mein Erdenleben fließet.
6 Lieder mit leichter Klavierbegleitung , opus 5
by Johann Adam Anthes (1789 - 1843)
1. Morgenlied
Language: German (Deutsch)
2. Abendlied im Frühling
Language: German (Deutsch)
Auf rötlichem Gefieder steigt schon der Abend nieder und ladet ein zur Ruh'. Wie dort die Sterne blinken! Sie flimmern hell und winken uns stillen Frieden zu. Die Vöglein ruh'n und schweigen, und schwarze Schatten neigen sich schon das Tal entlang. Nur Nachtigallen-Lieder ertönen flötend wieder und singen Lobgesang. Nun, auch auf meinen Wegen tönt, Gott, dir Dank entgegen zu dieser Frühlingsnacht. Du hast mit Vaterwalten mich gnädig heut' erhalten, du Gott voll Lieb' und Macht. Ja, Herr, mit Saitenklängen zu frommen Lobgesängen sei dir mein Dank gebracht. O schütze voll Erbarmen mich auch in Schlafes Armen im Dunkel tiefer Nacht! Still ruh'n des Tags Geschäfte; ich sammle neue Kräfte auf sich'rem Lager mir. So ruh'n die müden Glieder, doch morgen wach' ich wieder, erweckt, o Gott, von dir. Einst glänzt zum letzten Male in diesem Erdentale mir deiner Sonne Schein. Dann stärke mich im Scheiden und lass des Himmels Freuden mein schönes Erbteil sein!
3. Rosen und Vergissmeinnicht
Language: German (Deutsch)
An dem Silberquellchen, das durch grünes Moos seine munter'n Wellchen hell und klar ergoss, von der Erle Blättchen leicht beschattet ruht' einst ein Hirtenmädchen, schuldlos, sanft und gut. Wie im Paradiese froh und hochbeglückt, hatte auf der Wiese Blumen sie gepflückt; unter Blumenträumen schlummerte sie ein, und auf allen Bäumen sangen Vögelein. Träumend sah voll Freude sie, gar hold und schön im schneeweißen Kleide einen Engel steh'n. Seine Locken kränzen Rosen, hell wie Licht, in der Rechten glänzen ihm Vergissmeinnicht. „Ich, der Unschuld Engel“, sprach er, „dir gesandt, biet' durchs Tal der Mängel traulich dir die Hand. Soll ich nun auf deine Wege Rosen streu'n, so, du gute Kleine, so vergiss nicht mein!“
Text Authorship:
- by Christoph von Schmid (1768 - 1854), "Rosen und Vergissmeinnicht", appears in Blüthen, dem blühenden Alter gewidmet von dem Verfasser der Ostereyer, first published 1818
Go to the general single-text view
Confirmed with Christoph von Schmid, Blüten, dem blühenden Alter gewidmet, Reutlingen, s. a.
4. Liedchen bei dem Aussäen der Blumen
Language: German (Deutsch)
Sink', o Körnlein, denn hinab, sink' ins stille, kühle Grab, in das Beet von Erde! Erde streu' ich auf dich her, bis, mein Körnlein, ich nichts mehr von dir sehen werde. Wüsstest du, was ich da tu', hättest Sprache du dazu, ach, du sprächst mit Weinen: „Nie seh' ich den Himmel mehr, nie den Garten um mich her nie die Sonn' mehr scheinen!“ Aber, Körnlein, habe Mut! Sieh', du liegst ja sanft und gut, hast bald ausgeschlafen! Blickst dann aus der Erd' hervor, blühst als eine Blum' empor, bist ganz neu geschaffen. Ich auch sinke einst hinab so wie du ins kühle Grab, mich auch deckt die Erde. Aber herrlicher noch ruft aus der stillen, düster'n Gruft mich des Schöpfers: Werde!
Text Authorship:
- by Christoph von Schmid (1768 - 1854), "Liedchen bei dem Aussäen der Blumen"
Go to the general single-text view
5. Die weinenden Blumen
Language: German (Deutsch)
Im Morgengolde glühten der Bäume Laub und Blüten und jedes Wölkleins Rand; die Mutter ging zum Garten, der Blumen da zu warten, ihr Malchen an der Hand. „Sieh'“, rief das zarte Mädchen, „auf allen Blumenblättchen die Tröpflein hell und klar! Sag', liebe Mutter, weinen vielleicht die holden, kleinen, geliebten Blümchen gar?“ Die Mutter sprach: „O Mädchen, Sooft noch jedes Blättchen voll solcher Tropfen lag, so brachten diese Tränen noch immer einen schönen und heiter'n Frühlingstag. Wird einst dein Herzchen bange, betauen deine Wange auch solche Tröpflein, Kind! Dann denk' in Schmerz und Leiden, dass Tränen naher Freuden getreue Boten sind!“
Text Authorship:
- by Christoph von Schmid (1768 - 1854), "Die weinenden Blumen"
Go to the general single-text view
Confirmed with Christoph von Schmid, Gesammelte Schriften, Bd. 17, 2. Aufl., Augsburg, 1861.
6. Am letzten Abend des Jahres
Language: German (Deutsch)
Des Jahres letzte Stunde scheidet; wir stehen ernst und seh'n ihr nach. Es freut sich unser Herz und leidet, der Lust, des Weh's Gefühl wird wach. Die guten und die bösen Tage ruft die Erinnerung zurück. Dem Geber Dank! Denn Lust und Plage, sie beide sind des Lebens Glück. Wenn auf des Lebens Pilgerreise das Herz erfreut der gute Tag, macht uns der böse gut und weise. An jedes Erdenungemach knüpft, wenn's auch noch so drückend wäre, für unser'n Geist, für unser Herz der Menschen Vater eine Lehre, schafft zum Gewinn uns selbst den Schmerz. Getrost und heiter dann entgegen dem neuen Jahre, das uns winkt! Willkommen sei's, und für uns Segen mit Dorn und Blume, was es bringt! Wir nehmen an, was es us gibet, sei's, dass es segnet, dass es schlägt; denn er, der seine Menschen liebet, legt niemand mehr auf, als er trägt.