Schicksale sind (ich fühl es alle Tage) viel mehr als Zufall, weniger als Lose: sind – Luft, gefühlt von einem Flügelschlage, Abende im Bewußtsein einer Rose...
Diary of a Young Poet (Tagebuch eines jungen Dichters)
Song Cycle by Steven Ebel
1. Schicksale sind
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]2. Alles Gefühl
Alles Gefühl, in Gestalten und Handlungen wird es unendlich groß und leicht. Ich ruhe nicht, bis ich das eine erreicht: Bilder zu finden für meine Verwandlungen. Mir genügt nicht das steigende Lied. Einmal muß ich es mächtig wagen, weithin sichtbar auszusagen, was im Ahnen kaum geschieht. –
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]3. Und wieder rauscht
Und wieder rauscht mein tiefes Leben lauter, als ob es jetzt in breitern Ufern ginge. Immer verwandter werden mir die Dinge und alle Bilder immer angeschauter. Dem Namenlosen fühl ich mich vertrauter: Mit meinen Sinnen, wie mit Vögeln, reiche ich in die windigen Himmel aus der Eiche, und in den abgebrochnen Tag der Teiche sinkt, wie auf Fischen stehend, mein Gefühl.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Fortschritt"
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ITA Italian (Italiano) (Ferdinando Albeggiani) , "Progresso", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission
4. Andere müssen
Andere müssen auf langen Wegen zu den dunklen Dichtern gehn; fragen immer irgendwen, ob er nicht einen hat singen sehn oder Hände auf Saiten legen. Nur die Mädchen fragen nicht, welche Brücke zu Bildern führe; lächeln nur, lichter als Perlenschnüre, die man an Schalen von Silber hält. Aus ihrem Leben geht jede Türe in einen Dichter und in die Welt.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, written 1900, appears in Das Buch der Bilder, in Von den Mädchen, no. 1
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Research team for this page: Emily Ezust [Administrator] , Joost van der Linden [Guest Editor]5. Ich sprach von Dir
Ich sprach von Dir als von dem sehr Verwandten, zu dem mein Leben hundert Wege weiß, ich nannte Dich: den alle Kinder kannten, den alle Saiten überspannten, für den ich dunkel bin und leis. Ich nannte Dich den Nächsten meiner Nächte und meiner Abende Verschwiegenheit, – und Du bist der, den keiner sich erdächte, wärst Du nicht ausgedacht seit Ewigkeit. Und Du bist der, in dem ich nicht geirrt, den ich betrat wie ein gewohntes Haus. Jetzt geht Dein Wachsen über mich hinaus: Du bist der Werdendste, der wird.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]6. Klage
O wie ist alles fern und lange vergangen. Ich glaube, der Stern, von welchem ich Glanz empfange, ist seit Jahrtausenden tot. Ich glaube, im Boot, das vorüberfuhr, hörte ich etwas Banges sagen. Im Hause hat eine Uhr geschlagen... In welchem Haus?... Ich möchte aus meinem Herzen hinaus unter den großen Himmel treten. Ich möchte beten. Und einer von allen Sternen müßte wirklich noch sein. Ich glaube, ich wüßte, welcher allein gedauert hat, - welcher wie eine weiße Stadt am Ende des Strahls in den Himmeln steht...
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), appears in Das Buch der Bilder
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Researcher for this page: Malcolm Wren [Guest Editor]7. Reich mir Musik
Reich mir Musik! Was bin ich aufgewacht? Wer du auch seist, an die ich grad gedacht, reich mir Musik! Spiel! Es ist Nacht. Und jeder wachsende Akkord hat Raum, so groß zu werden wie ein großer Baum, der seit Jahrhunderten schon steigt und rauscht.– Ich weiß nicht, wenn mein ganzes Leben lauscht, Ich weiß nicht, wer mein ganzes Leben spielt. Tranken meine Sinne Musik? Schwieg die Nacht? Stand ich allein? Die Luft ist schwer von Worten. Sprach ich? Mit wem zu zwein? Redeten viele auf mich ein?– Und wer war der, der schwieg? Geh schlafen jetzt, du, an die ich gedacht, wer du auch seist. Es ist schon viel zuviel Nacht, was du weißt.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]8. Nacht, stille Nacht
Nacht, stille Nacht, in die verwoben sind ganz weiße Dinge, rote, bunte Dinge, verstreute Farben, die erhoben sind zu einem Dunkel, einer Stille, – bringe doch mich auch in Beziehung zu dem vielen, das du erwirbst und überredest. Und schlichte Kost: Gemüse, Mus und Brot, und schlichten Schlaf, traumleise, nah am Tod, und Müdigkeit, und um das Abendrot an jedem Tage ein Gebet. Und kein Gebet dem andern gleich; ein jedes neu aus neuem Tag gelöst, von neuen Dingen eingeflößt, von irgendeiner neuen Liebe reich, des Tages Frucht, die ohne Wind, erfasst von ihrer eignen voll gewordnen Last, sich fallen lässt und fällt und fällt, bis Gott sich ihr entgegenhält wie eine Wiese, welche wellt. . . da fällt sie weich. . .
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]9. Epilogue
Bruchstück nach Michael Kraemer. Wie als wenn Gott sich ihm bestätigt hätte, so stark ist sein Gefühl von Sein und Wahrheit und Wahrhaftigkeit in diesem Augenblick des Todes. Denn da in den Kissen liegt das Gesicht seines Jungen wie ein Buch aufgeschlagen, und er liest darin, dass das ist. . . Aus allen Zügen seines toten Angesichtes tritt jetzt, furchtlos, seine Seele. Und der Vater erkennt sie wieder: sie war es, die er damals auf seinen zitternden Armen, ohne sie zu sehen -- steht das ausgestellt, was sein muß. Und es ist. Alles ist gut; es ist. Und wir müssen weitergehen unseren Weg, stark, still, würdige Vorläufer des Kommenden, der nicht umsonst kommen wird, des Schatzgräbers, des Finders. Amen.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
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Note: this is a prose text. The line breaks are arbitrary.
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