Warum, wenn es angeht, also die Frist des Daseins hinzubringen, als Lorbeer, ein wenig dunkler als alles andere Grün, mit kleinen Wellen an jedem Blattrand (wie eines Windes Lächeln) -: warum dann Menschliches müssen - und, Schicksal vermeidend, sich sehnen nach Schicksal?... Oh, nicht, weil Glück ist, dieser voreilige Vorteil eines nahen Verlusts. Nicht aus Neugier, oder zur Übung des Herzens, das auch im Lorbeer wäre..... Aber weil Hiersein viel ist, und weil uns scheinbar alles das Hiesige braucht, dieses Schwindende, das seltsam uns angeht. Uns, die Schwindendsten. Ein Mal jedes, nur ein Mal. Ein Mal und nicht mehr. Und wir auch ein Mal. Nie wieder. Aber dieses ein Mal gewesen zu sein, wenn auch nur ein Mal: irdisch gewesen zu sein, scheint nicht widerrufbar. Und so drängen wir uns und wollen es leisten, wollens enthalten in unsern einfachen Händen, im überfüllteren Blick und im sprachlosen Herzen. Wollen es werden. - Wem es geben? Am liebsten alles behalten für immer... Ach, in den andern Bezug, wehe, was nimmt man hinüber? Nicht das Anschaun, das hier langsam erlernte, und kein hier Ereignetes. Keins. Also die Schmerzen. Also vor allem das Schwersein, also der Liebe lange Erfahrung, - also lauter Unsägliches. Aber später, unter den Sternen, was solls: die sind besser unsäglich. Bringt doch der Wanderer auch vom Hange des Bergrands nicht eine Hand voll Erde ins Tal, die Allen unsägliche, sondern ein erworbenes Wort, reines, den gelben und blaun Enzian. Sind wir vielleicht hier, um zu sagen: Haus, Brücke, Brunnen, Tor, Krug, Obstbaum, Fenster, - höchstens: Säule, Turm.... aber zu sagen, verstehs, oh zu sagen so, wie selber die Dinge niemals innig meinten zu sein. Ist nicht die heimliche List dieser verschwiegenen Erde, wenn sie die Liebenden drängt, daß sich in ihrem Gefühl jedes und jedes entzückst? Schwelle: was ists für zwei Liebende, daß sie die eigne ältere Schwelle der Tür ein wenig verbrauchen, auch sie, nach den vielen vorher und vor den Künftigen ...., leicht. Hier ist des Säglichen Zeit, hier seine Heimat. Sprich und bekenn. Mehr als je fallen die Dinge dahin, die erlebbaren, denn, was sie verdrängend ersetzt, ist ein Tun ohne Bild. Tun unter Krusten, die willig zerspringen, sobald innen das Handeln entwächst und sich anders begrenzt. Zwischen den Hämmern besteht unser Herz, wie die Zunge zwischen den Zähnen, die doch, dennoch, die preisende bleibt. Preise dem Engel die Welt, nicht die unsägliche, ihm kannst du nicht großtun mit herrlich Erfühltem; im Weltall, wo er fühlender fühlt, bist du ein Neuling. Drum zeig ihm das Einfache, das, von Geschlecht zu Geschlechtern gestaltet, als ein Unsriges lebt, neben der Hand und im Blick. Sag ihm die Dinge. Er wird staunender stehn; wie du standest bei dem Seiler in Rom, oder beim Töpfer am Nil. Zeig ihm, wie glücklich ein Ding sein kann, wie schuldlos und unser, wie selbst das klagende Leid rein zur Gestalt sich entschließt, dient als ein Ding, oder stirbt in ein Ding -, und jenseits selig der Geige entgeht. - Und diese, von Hingang lebenden Dinge verstehn, daß du sie rühmst; vergänglich, traun sie ein Rettendes uns, den Vergänglichsten, zu. Wollen, wir sollen sie ganz im unsichtbarn Herzen verwandeln in - o unendlich - in uns! Wer wir am Ende auch seien. Erde, ist es nicht dies, was du willst: unsichtbar in uns erstehn? - Ist es dein Traum nicht, einmal unsichtbar zu sein? - Erde! unsichtbar! Was, wenn Verwandlung nicht, ist dein drängender Auftrag Erde, du liebe, ich will. Oh glaub, es bedürfte nicht deiner Frühlinge mehr, mich dir zu gewinnen -, einer, ach, ein einziger ist schon dem Blute zu viel. Namenlos bin ich zu dir entschlossen, von weit her. Immer warst du im Recht, und dein heiliger Einfall ist der vertrauliche Tod. Siehe, ich lebe. Woraus? Weder Kindheit noch Zukunft werden weniger ....... Überzähliges Dasein entspringt mir im Herzen.
Rainer Maria Rilke-Zyklus
Song Cycle by Martin Dörnberg (1920 - 2013)
1. Aber weil Hiersein viel ist  [sung text not yet checked]
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Die neunte Elegie", appears in Duineser Elegien, no. 9
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, rilke.de
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2. Wege  [sung text not yet checked]
Wege des Lebens, Plötzlich sind es die Flüge, die uns erheben über das mühsame Land; da wir noch weinen um die zerschlagenen Krüge, springt uns der Quell in die eben noch leereste Hand. Schlichtestes Trinken aus der vertrautesten Mulde drinnen sich Schicksal, heimlich gezeichnet, verzweigt. Sag dir: Ich bins. Und weil ich es nirgends verschulde blieb es so hell, wenn ich mich drüber geneigt. Siehe ich scheine in meine willigen Hände und mein Schatten fällt tiefer vorbei. Nicht, daß er mir, die ihn leichthin vergäße, verschwände, nur, daß er eins mit der Erde sei!
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Entwurf einer Widmung
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Confirmed with Kurt Klinger, Die Kunst des Fragments. Zu Rilkes vertreuten und nachgelassenen Gedichten, in: Literatur und Kritik. Österreichische Monatsschrift, Salzburg : Otto Müller Verlag, 1979, Nr. 132
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
3. Rast  [sung text not yet checked]
Rast! Gast sein einmal. Nicht immer selbst seine Wünsche bewirten mit kärglicher Kost. Nicht immer feindlich nach allem fassen; einmal sich alles geschehen lassen und wissen: was geschieht, ist gut. Auch der Mut muß einmal sich strecken und sich am Saume seidener Decken in sich selber überschlagen. Nicht immer Soldat sein. Einmal die Locken offen tragen [und den weiten offenen Kragen und in seidenen Sesseln sitzen und bis in die Fingerspitzen so: nach dem Bad sein. ]1 Und wieder erst lernen, was Frauen sind. Und wie die weißen tun und wie die blauen sind; was für Hände sie haben, wie sie ihr Lachen singen, wenn blonde Knaben die schönen Schalen bringen, von saftigen Früchten schwer.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, written 1899, appears in Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke, no. 14, first published 1906
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Knut W. Barde) , "Rest", copyright ©, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English [singable] (Margaret Dows Herter Norton) , no title, appears in The Lay of the Love and Death of Cornet Christopher Rilke, no. 14, copyright ©
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Repos ! Être un jour un hôte", copyright © 2009, (re)printed on this website with kind permission
Confirmed with Rainer Maria Rilke, Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke, Endgültige Fassung von 1906 Geschrieben 1899, Im Insel-Verlag zu Leipzig.
Confirmed with Rainer Maria Rilke, Werke. Kommentiere Ausgabe in vier Bänden, herausgegeben von Manfred Engel, Ulrich Fülleborn, Horst Nalewski, August Stahl, Band I Gedichte 1895 bis 1910, herausgegeben von Manfred Engel und Ulrich Fülleborn, Frankfurt am Main: Insel Verlag, 1996, page 147.
1 omitted by ReutterResearch team for this page: John Versmoren , Sharon Krebs [Guest Editor] , Joost van der Linden [Guest Editor]
4. O Leben Leben, wunderliche Zeit  [sung text not yet checked]
O Leben Leben, wunderliche Zeit von Widerspruch zu Widerspruche reichend im Gange oft so schlecht so schwer so schleichend und dann auf einmal, mit unsäglich weit entspannten Flügeln, einem Engel gleichend: O unerklärlichste, o Lebenszeit. Von allen großgewagten Existenzen kann einer glühender und kühner sein? Wir stehn und stemmen uns an unsre Grenzen und reißen ein Unkenntliches herein, ...
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "O Leben Leben, wunderliche Zeit", written 1913/4
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]5. Was unser Geist  [sung text not yet checked]
Was unser Geist der Wirrnis abgewinnt, kommt irgendwann Lebendigem zugute; wenn es auch manchmal nur Gedanken sind, sie lösen sich in jenem großen Blute, das weiterrinnt ... Und ists Gefühl: wer weiß, wie weit es reicht und was es in dem reinen Raum ergiebt, in dem ein kleines Mehr von schwer und leicht Welten bewegt und einen Stern verschiebt.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), no title, appears in Die Gedichte 1922-1926
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Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]6. Epilog
Aus solchem Wort
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