Wie soll ich meine Seele halten, daß sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie hinheben über dich zu andern Dingen? Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas Verlorenem im Dunkel unterbringen an einer fremden stillen Stelle, die nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen. Doch alles, was uns anrührt, dich und mich, nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich, der aus zwei Saiten eine Stimme zieht. Auf welches Instrument sind wir gespannt? Und welcher [Geiger]1 hat uns in der Hand? O süßes Lied.
Fünf Lieder nach Rainer Maria Rilke
Song Cycle by Axel Gebhardt (b. 1962)
1. Liebes‑Lied  [sung text not yet checked]
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Liebeslied", appears in Neue Gedichte, first published 1892
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- CAT Catalan (Català) (Salvador Pila) , "Cançó d'amor", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English (Ruth Schonthal) , "Love song", copyright ©
- ENG English (Elisabeth Siekhaus) , "Love song", copyright © 2008, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Chant d'amour", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission
- ITA Italian (Italiano) (Ferdinando Albeggiani) , "Canto d'amore", copyright © 2008, (re)printed on this website with kind permission
1 Martinsson: "Spieler"
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
2. Die Erblindende  [sung text not yet checked]
Sie saß so wie die anderen beim Tee. Mir war zuerst, als ob sie ihre Tasse ein wenig anders als die andern fasse. Sie lächelte einmal. Es tat fast weh. Und als man schließlich sich erhob und sprach und langsam und wie es der Zufall brachte durch viele Zimmer ging (man sprach und lachte), da sah ich sie. Sie ging den andern nach, verhalten, so wie eine, welche gleich wird singen müssen und vor vielen Leuten; auf ihren hellen Augen die sich freuten war Licht von außen wie auf einem Teich. Sie folgte langsam und sie brauchte lang als wäre etwas noch nicht überstiegen; und doch: als ob, nach einem Übergang, sie nicht mehr gehen würde, sondern fliegen.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Die Erblindende", appears in Neue Gedichte, first published 1907
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Confirmed with, rilke.de
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3. Der Fahnenträger  [sung text not yet checked]
Die Andern fühlen alles an sich rauh und ohne Anteil: Eisen, Zeug und Leder. Zwar manchmal schmeichelt eine weiche Feder, doch sehr allein und lieb-los ist ein jeder; er aber trägt - als trüg er eine Frau - die Fahne in dem feierlichen Kleide. Dicht hinter ihm geht ihre schwere Seide, die manchmal über seine Hände fließt. Er kann allein, wenn er die Augen schließt, ein Lächeln sehn: er darf sie nicht verlassen. - Und wenn es kommt in blitzenden Kürassen und nach ihr greift und ringt und will sie fassen -: dann darf er sie abreißen von dem Stocke als riss er sie aus ihrem Mädchentum, um sie zu halten unterm Waffenrocke. Und für die Andern ist das Mut und Ruhm.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Der Fahnenträger", written 1906, appears in Neue Gedichte
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Neue Gedichte, Leipzig : Insel-Verlag, 1920
Researcher for this page: Joost van der Linden [Guest Editor]
4. Die Genesende  [sung text not yet checked]
Wie ein Singen kommt und geht in Gassen und sich nähert und sich wieder scheut, flügelschlagend, manchmal fast zu fassen und dann wieder weit hinausgestreut : spielt mit der Genesenden das Leben ; während sie, geschwächt und ausgeruht, unbeholfen, um sich hinzugeben, eine ungewohnte Geste tut. Und sie fühlt sich beinah wie Verführung, wenn die hartgewordne Hand, darin Fieber waren voller Widersinn, fernher, wie mit blühender Berührung, zu liebkosen kommt ihr hartes Kinn.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Die Genesende", appears in Neue Gedichte
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Gedichte, Leipzig, Insel-Verlag, 1927, p.57
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5. Ìm Saal  [sung text not yet checked]
Wie sind sie alle um uns, diese Herrn in Kammerherrentrachten und Jabots, wie eine Nacht um ihren Ordensstern sich immer mehr verdunkelnd, rücksichtslos und diese Damen, zart, fragile, doch groß von ihren Kleidern, eine Hand im Schoß, klein wie ein Halsband für den Bologneser: wie sind sie da um jeden: um den Leser, um den Betrachter dieser Bibelots, darunter manches ihnen noch gehört. Sie lassen, voller Takt, uns ungestört das Leben leben wie wir es begreifen und wie sie's nicht verstehn. Sie wollten blühn, und blühn ist schön sein; doch wir wollen reifen, und das heißt dunkel sein und sich bemühn.
Text Authorship:
- by Rainer Maria Rilke (1875 - 1926), "Im Saal", written 1906, appears in Neue Gedichte
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Confirmed with Rainer Maria Rilke, Neue Gedichte, Leipzig : Insel-Verlag, 1920
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