by Heinrich Heine (1797 - 1856)
Die Nacht am Strande
Language: German (Deutsch)
Available translation(s): FRE
Sternlos und kalt ist die Nacht, Es gärt das Meer; Und über dem Meer, platt auf dem Bauch, Liegt der ungestalte Nordwind, Und heimlich, mit ächzend gedämpfter Stimme, Wie 'n störriger Griesgram, der gutgelaunt wird, Schwatzt er ins Wasser hinein, Und erzählt viel tolle Geschichten, Riesenmärchen, totschlaglaunig, Uralte Sagen aus Norweg, Und dazwischen, weitschallend, lacht er und heult er Beschwörungslieder der Edda, Auch Runensprüche, So dunkeltrotzig und zaubergewaltig, Daß die weißen Meerkinder Hoch aufspringen und jauchzen, Übermutberauscht. Derweilen, am flachen Gestade, Über den flutenbefeuchteten Sand, Schreitet ein Fremdling, mit einem Herzen, Das wilder noch als Wind und Wellen. Wo er hintritt, Sprühen Funken und knistern die Muscheln; Und er hüllt sich fest in den grauen Mantel, Und schreitet rasch durch die wehende Nacht; -- Sicher geleitet vom kleinen Lichte, Das lockend und lieblich schimmert Aus einsamer Fischerhütte. Vater und Bruder sind auf der See, Und mutterseelenallein blieb dort In der Hütte die Fischertochter, Die wunderschöne Fischertochter. Am Herde sitzt sie, Und horcht auf des Wasserkessels Ahnungssüßes, heimliches Summen, Und schüttet knisterndes Reisig ins Feuer, Und bläst hinein, Daß die flackernd roten Lichter Zauberlieblich widerstrahlen Auf das blühende Antlitz, Auf die zarte, weiße Schulter, Die rührend hervorlauscht Aus dem groben, grauen Hemde, Und auf die kleine, sorgsame Hand, Die das Unterröckchen fester bindet Um die feine Hüfte. Aber plötzlich, die Tür springt auf, Und es tritt herein der nächtige Fremdling; Liebesicher ruht sein Auge Auf dem weißen, schlanken Mädchen, Das schauernd vor ihm steht, Gleich einer erschrockenen Lilje; Und er wirft den Mantel zur Erde, Und lacht und spricht: Siehst du, mein Kind, ich halte Wort, Und ich komme, und mit mir kommt Die alte Zeit, wo die Götter des Himmels Niederstiegen zu den Töchtern der Menschen, Und die Töchter der Menschen umarmten, Und mit ihnen zeugten Zeptertragende Königsgeschlechter Und Helden, Wunder der Welt. Doch staune, mein Kind, nicht länger ob meiner Göttlichkeit, Und, ich bitte dich, koche mir Tee mit Rum, Denn draußen wars kalt, Und bei solcher Nachtluft Frieren auch wir, wir ewigen Götter, Und kriegen wir leicht den göttlichsten Schnupfen, Und einen unsterblichen Husten.
Authorship:
- by Heinrich Heine (1797 - 1856), "Die Nacht am Strande", appears in Buch der Lieder, in Die Nordsee, in Erster Zyklus, no. 4 [author's text checked 1 time against a primary source]
Musical settings (art songs, Lieder, mélodies, (etc.), choral pieces, and other vocal works set to this text), listed by composer (not necessarily exhaustive):
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Settings in other languages, adaptations, or excerpts:
- Also set in English, a translation by Kate Freiligrath Kroeker (1845 - 1904) ; composed by Martin Edward Fallas Shaw.
Other available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English (Emma Lazarus) , appears in Poems and Ballads of Heinrich Heine, first published 1881
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Sur la plage la nuit", copyright © 2009, (re)printed on this website with kind permission
Researcher for this text: Emily Ezust [Administrator]
This text was added to the website: 2008-05-05
Line count: 70
Word count: 345