Wie schaust du aus dem Nebelflor, O Sonne, bleich und müde! Es schwirrt der Heimchen heis'rer Chor Zu meinem Schwanenliede. Es girrt die scheidende Natur Ihr Lebewohl so traurig; Es stehen Busch und Wald und Flur So trostlos und so schaurig. Entblättert steht der Erlenhayn, Entlaubt der [traute]1 Garten, Wo Er und ich im Mondenschein Einander bang' erharrten; Wo Er und ich im Mondenblitz, Im Schirm der Linde saßen, Und auf des Rasens weichem Sitz Der öden Welt vergaßen; Wo ich, gelehnt an seine Brust, In süße Träume nickte, Und holder Wahn, und Edens Lust Die Träumende durchzückte. Und schimmerte des Aufgangs Glanz Durch die verschwiegnen Linden, Pflegt' ich den schönsten Rosenkranz Ihm um den Hut zu winden. Doch, keine Kränze wird hinfort Dein Mädchen, Freund, dir winden. Denn unsre Blumen sind verdorrt, Entlaubt sind unsre Linden. Ihr Rosen, die der rauhe Ost In ihrem Knospen pflückte; Ihr Nelken, die der frühe Frost Halbaufgeschlossen knickte; Ist euer Loos nicht auch mein Loos? Seyd ihr nicht, was ich werde? Entkeimt' ich nicht, wie ihr, dem Schooß Der mütterlichen Erde? Ist nicht mein Halm so jugendlich, So schlank emporgeschossen? Hat meiner Blüthen Knospe sich Nicht drängend aufgeschlossen? Weckt meiner Augen blaues Licht, Die Rose meiner Wangen, Die frische meiner Lippen nicht Der Jünglinge Verlangen? Ach, klagt um eure Schwester, klagt Ihr Rosen und ihr Nelken! Wie bald, und hin ist meine Pracht, Und meine Blüthen welken! Verstreut ist all mein grünes Laub, Geknickt mein schlanker Stengel, Mein Staub gebettet in den Staub, Mein Geist gereift zum Engel! Der Wandrer, der in meiner Zier, In meiner Schönheit Schimmer Mich schaute, kommt und forscht nach mir, Und sieht mich nimmer, nimmer! Es kommt der Traute, den ich mir Erkohren einzig habe. - [Ach fleuch, Geliebter, fleuch]2 von hier; Dein Mädchen schläft im Grabe. [Ach traure, Theurer]3, traure nicht! Des Grabes Dunkel schwindet, Und [himmlisch und]4 unsterblich Licht Glänzt dem, der überwindet. Triumph! [auf]5 Herbstesdämmerung [Folgt]6 milder Frühlingsschimmer. Auf Trennung folgt Vereinigung, Vereinigung auf immer!
Confirmed with L.T.Kosegarten's Poesieen, Neueste Auflage, Zweyter Band, Berlin 1803, pages 126-129; and with Kosegarten's Dichtungen. Siebenter Band. Lyrischer Gedichte Siebentes, achtes, neutes Buch. Greifswald, gedruckt beym Königl. Directeur J.H. Eckhardt. 1813, pages 102-106.
Note: An earlier, substantially different version appeared with the title Ellwieens Schwanenlied in Schiller's Musenalmanach of 1796, with 12 instead of 17 stanzas. Stanzas 3 to 7 have been added in this later version; for the initial version see below. Kosegarten's editions from 1812 on have the shorter title Schwanenlied.
1 later editions (since 1812), and marked as misprint in the Leipzig 1802 edition, also Schubert (Neue Gesamtausgabe, mistakenly): "graue"2 later editions (since 1812): "Fleuch, süßer Freund, fleuch schnell"
3 later editions (since 1812): "Doch traure, Trauter"
4 later editions (since 1812): "Himmelsglanz,"
5 later editions (since 1812): "Nach"
6 later editions (since 1812): "Sprießt"
Composition:
- Set to music by Franz Peter Schubert (1797 - 1828), "Idens Schwanenlied", D 317 (1815), published 1895
Text Authorship:
- by Ludwig Gotthard Theobul Kosegarten (1758 - 1818), "Idens Schwanenlied"
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- CAT Catalan (Català) (Salvador Pila) , "El cant del cigne d'Ida", copyright © 2018, (re)printed on this website with kind permission
- DUT Dutch (Nederlands) [singable] (Lau Kanen) , "Ida's zwanenzang", copyright © 2010, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English (Malcolm Wren) , "Ida's swansong", copyright © 2017, (re)printed on this website with kind permission
- FRE French (Français) (Guy Laffaille) , "Chant du cygne d'Ida", copyright © 2017, (re)printed on this website with kind permission
Research team for this page: Richard Morris , Peter Rastl [Guest Editor]
This text was added to the website between May 1995 and September 2003.
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