Fahre herauf, du krystallener Wagen, Klingender Morgen, so frisch und so klar! Seidene Wimpel, vom Oste getragen, Flattre, du rosige Wölkleinschar! Siehe die Meere, sie wogen und branden, Aber still das Gebirge steht, Tau ist gesprengt auf den funkelnden Landen, Weihbrunn zum heiligen Sonnengebet. Tausendfach wollen die Blumen entriegeln Aus ihrer Brust den gefangenen Gott; Doch die vergoldeten Kreuze bespiegeln Sich auf den Domen mit gleißendem Spott. Singen nicht Lerchen dort hoch in den Lüften, Schwenkend in freiem und fröhlichem Zug? Nein, aber aufwärtsgeschwungen aus Klüften, Sonnt sich ein kreischender Rabenflug. Springt nicht ein Fischlein aus silberner Welle, Das sich am lieblichen Lichte erfreut? Ja, 's ist der Hecht, der bewehrte Geselle, Der den alltäglichen Raub erneut. Fahre hinüber auf drehenden Speichen, Schimmernder Morgen, noch ist es nicht Zeit; Rosige Wimpel, auch ihr mögt erbleichen -- Weh mir, schon weht ihr so blaß und so weit! Fahr'! Ein Josua träumet auf Erden, Dem es schon ahnend in Ohren erklingt; Aufspringt er einst, in die Zügel den Pferden, Welche zum Steh'n der Gewaltige zwingt!
Tag- und Nachtgesänge , opus 7
by August Reuss (1871 - 1935)
1. Sonnenaufgang  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
2. Gruß der Sonne  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Aus den braunen Schollen Springt die Saat empor, Grüne Knospen rollen Tausendfach hervor. Und es ruft die Sonne: Fort den blassen Schein! Wieder will ich Wonne, Glut und Leben sein! Wieder wohlig zittern Auf dem blauen Meer, Oder zu Gewittern Führen das Wolkenheer! In den Frühlingsregen Sieben Farben streu'n Und auf Weg und Stegen Meinen goldnen Schein! Ruhn am Felsenhange, Wo der Adler minnt, Auf der Menschenwange, Wo die Thräne rinnt! Dringen in der Herzen Kalte Finsternis, Blenden alle Schmerzen Aus dem tiefsten Riß! Bringt -- ich bin die Sonne -- An das Kerkerthor, Was ihr habt gesponnen Winterlang, hervor! Alle finstern Hütten Sollen Mann und Maus Auf die Aue schütten, An mein Licht heraus! Mit all' euren Schätzen Lagert euch herum, Wendet eure Fetzen Vor mir um und um! Daß durch jeden Schaden Leuchten ich und dann Mit dem goldnen Faden Ihn verweben kann!
Text Authorship:
- by Gottfried Keller (1819 - 1890), "Gruß der Sonne", appears in Gesammelte Gedichte, in Buch der Natur
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3. Abendregen  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Langsam und schimmernd fiel ein Regen, In den die Abendsonne schien; Der Wandrer schritt auf engen Wegen Mit düstrer Seele drunter hin. Er sah die großen Tropfen blinken Im Fallen durch den goldnen Strahl; Er fühlt' es kühl aufs Haupt ihm sinken Und sprach mit schauernd süßer Qual: Nun weiß ich, daß ein Regenbogen Sich hoch um meine Stirne zieht, Den auf dem Pfad, den ich gezogen, Die heitre Ferne spielen sieht. Und die mir hier am nächsten stehen, Und wer mich scharf zu kennen meint, Sie können selber doch nicht sehen, Wie er versöhnend ob mir scheint. So wird, wenn andre Tage kommen, Die sonnig auf dies Heute sehn, [ Ob meinem fernen, bleichen Namen Der Ehre Regenbogen stehn.]1
Text Authorship:
- by Gottfried Keller (1819 - 1890), "Abendregen", appears in Neuere Gedichte, in Vermischte Gedichte, first published 1851
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- CAT Catalan (Català) (Salvador Pila) , "Pluja del capvespre", copyright © 2022, (re)printed on this website with kind permission
- DUT Dutch (Nederlands) [singable] (Lau Kanen) , "Avondregen", copyright © 2014, (re)printed on this website with kind permission
- ENG English (Emily Ezust) , "Evening rain", copyright ©
- FRE French (Français) (Guy Laffaille) , "Pluie du soir", copyright © 2010, (re)printed on this website with kind permission
- ITA Italian (Italiano) (Ferdinando Albeggiani) , "La pioggia della sera", copyright © 2008, (re)printed on this website with kind permission
1 Keller later changed this to: "Um meinen fernen blassen Namen / Des Friedens heller Bogen steh'n." (in Gessamelte Gedichte: Buch der Natur)
4. Stille der Nacht  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Willkommen, klare Sommernacht, die auf betauten Fluren liegt! Gegrüßt mir, goldne Sternenpracht, die spielend sich im Weltraum wiegt! Das Urgebirge um mich her ist schweigend, wie mein Nachtgebet; weit hinter ihm hör' ich das Meer im Geist und wie die Brandung geht. Ich höre einen Flötenton, den mir die Luft von Westen bringt indes herauf im Osten schon des Tages leise Ahnung dringt. Ich sinne, wo in weiter Welt jetzt sterben mag ein Menschenkind - und ob vielleicht den Einzug hält das viel ersehnte Heldenkind. Doch wie im dunklen Erdental ein unergründlich Schweigen ruht, ich fühle mich so leicht zumal und wie die Welt so still und gut. Der letzte leise Schmerz und Spott verschwindet aus des Herzens Grund; es ist, als tät' der alte Gott mir endlich seinen Namen kund.
Text Authorship:
- by Gottfried Keller (1819 - 1890), appears in Buch der Natur, in Nacht, no. 5
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Stéphane Goldet) (Pierre de Rosamel) , "Nuit du silence", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission
5. Unruhe der Nacht  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Nun bin ich untreu worden der Sonn' und ihrem Schein; die Nacht, die Nacht soll Dame nun meines Herzen sein! Sie ist von düstrer Schönheit, hat bleiches Nornengesicht, und eine Sternenkrone ihr dunkles Haupt umflicht. Heut ist sie so beklommen, unruhig und voller Pein; sie denkt wohl an ihre Jugend - das muß ein Gedächtnis sein! Es weht durch alle Täler ein Stöhnen, so klagend und bang; wie Tränenbäche fließen die Quellen vom Bergeshang. Die schwarzen Fichten sausen und wiegen sich her und hin, und über die wilde Heide verlorene Lichter fliehn. Dem Himmel bringt ein Ständchen das dumpf aufrauschende Meer, und über mir zieht ein Gewitter mit klingendem Spiele daher. Es will vielleicht betäuben die Nacht den uralten Schmerz? Und an noch ältere Sünden denkt wohl ihr reuiges Herz? Ich möchte mit ihr plaudern, wie man mit dem Liebchen spricht - umsonst, in ihrem Grame sie sieht und hört mich nicht! Ich möchte sie gerne befragen und werde doch immer gestört, ob sie vor meiner Geburt schon wo meinen Namen gehört? Sie ist eine alte Sibylle und kennt sich selber kaum; sie und der Tod und wir alle sind Träume von einem Traum. Ich will mich schlafen legen, der Morgenwind schon zieht - ihr Trauerweiden am Kirchhof, stimmt mir mein Schlummerlied!
Text Authorship:
- by Gottfried Keller (1819 - 1890), no title, appears in Buch der Natur, in Nacht, no. 1
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- FRE French (Français) (Pierre Mathé) , "Anxiété nocturne", copyright © 2012, (re)printed on this website with kind permission