Die Tannen ragen schlank und morgenduftig, Grüngolden spielt das Licht in ihren Ästen, Ringsum Gesang von leichtbeschwingten Gästen; Im Walde weht und rauscht der Frühling luftig. Ein Jäger geht in Thau und Schatten drinnen, Das Feuerrohr gesenkt auf seinem Rücken; Heut wird er’s nicht dem Wild ins Leben drücken, Er scheint auf eine and're Jagd zu sinnen. Prüft jeden Baum vom Grund bis zu den Kronen, Und rüttelt auch an manchen scharf und mächtig. Thautropfen blitzen diamantenprächtig Auf ihn herab, den Händedruck zu lohnen. Er aber schneidet ein mit dem scharfen Messer Ein Kreuz als Zeichen, ihn im Herbst zu fällen, Und denkt vom stolz aufragenden Gesellen: „Träum' du von Lenzen noch, ich weiß es besser.” So schreitet er, ein Tod, durch Frühlingsräume, In manche Kinde kerbt er noch das Zeichen, Und mit den scharfgeschnitt’nen Kreuzen gleichen Bald einem Friedhof in dem Wald die Bäume. Im Menschenwald, ein unsichtbarer Jäger Geht lauernd auch umher und kerbt in Herzen Die Zeichen ein, oft ohne daß sie schmerzen, So sanft, so weich – doch ist er ein Erleger. Gewiß, er war mir nahe oft schon als Kummer, Als Glück wohl auch, als Sorge mir im Traume; Die Lippen küßt’ er mir im Bercherschaume, Und war die Nacht, die hinging ohne Schlummer. Er schnitt ins Leben mir mit seinem Messer, Oft merkt’ ich’s kaum, ein leises, leises Zeichen: Ich hoffte manchen Lenz noch zu erreichen, Noch manche That zu tun – er weiß es besser.
4 Gesänge , opus 36
by Felix Paul Weingartner (1863 - 1942)
1. Er weiß es besser
Text Authorship:
- by Ludwig August Frankl (1810 - 1894), "Er weiß es besser"
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English [singable] (William Wallace) , "His Plan is Wiser"
Note: in many older editions, the spelling of the word "Ästen" becomes "Aesten", but as can be seen in how "über" becomes "Ueber" when capitalized, this is due to the printing process and not to rules of orthography, so we use "Ästen".
2. Letzter Tanz
Es glüht im Fieber das graue Haus, Lichtstreifen fallen breit hinaus Auf sommeröden Gassen; Es flammt der Saal von Kerzen ganz, Und wir beide tanzen den letzten Tanz, Eh' wir uns müssen lassen. Ich bin gezogen von Meer zu Meer, Und als ich heimkam, die Taschen schwer, Warst du die Braut eines andern; Die Spatzen riefen's von jedem Dach, Die Basen zischten und sprachen's nach: Das kommt vom Wandern, vom Wandern. Wir tanzen, als habe der Tod dich gepackt, Es fegt deine Schleppe spitzengezackt In welken Orangenzweigen, Schon geht der Zeiger auf Mitternacht, Dein junger Gemahl, er sieht's und lacht -- Es schluchzen so wild die Geigen . . Ich wollte, wir irrten im nordischen Land Von keinem geliebt, von keinem gekannt, Im Schneesturm über die Heide, Und daß du ruhtest unbewußt In meinem Mantel, an meiner Brust, Und daß wir stürben beide.
Text Authorship:
- by Emil Rudolf Osman, Prinz von Schönaich-Carolath (1852 - 1908), "Letzter Tanz", subtitle: "Ballade"
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
3. Des Kindes Scheiden
Über des Bettes Haupt flog säuselnden Fluges ein Engel, Und des Unsterblichen Blick fiel auf das schlafende Kind. Wie sein eigenes Bild im Spiegel silberner Wellen Lächelt freundlich und hold ihn an die süße Gestalt. Leise sinkt er herab, sich freuend der lieblichen Täuschung, Und tritt luftigen Schritts neben das Schlafende hin. Ach! es schlummert so süß, und Unschuld und himmlischer Friede Säuseln im Athem des Munds, ruh’n auf der silbernen Stirn, Kräuseln zum Heiligenschein des Hauptes goldene Locken, Ruh’n, wie ein Lilienzweig, in der gefalteten Hand. Freundlich lächelt der Engel; doch bald umwölkt sich sein Antlitz, Trüb, mit brütendem Ernst, wendet er seufzend sich ab. Er überschaut im Geist den Sturm der kommenden Tage, Dem die Eiche nur steht, welcher die Blume zerknickt; Rauschen hört er des Unglücks seelenmordende Pfeile, Wider die Unschuld und Recht nur ein gebrechlicher Schild; Thränend sieht er das Aug’, das weich die Wimper bedeckt, Und zerschlagen die Brust, die jetzt atmend sich hebt. Banges Mitleid erfaßt die Seele des himmlischen Boten, Fragend blickt er empor, und – der Allmächtige nickt. Da umfängt er den Nacken, und küßt die zuckender Lippen; Spricht: „Sei Glucklich, o Kind!” – und – die Kleine war todt.
Text Authorship:
- by Franz (Seraphicus) Grillparzer (1791 - 1872), "Des Kindes Scheiden"
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English [singable] (William Wallace) , "The Angel and the Child"
See also Jean Reboul's very similar poem "L'Ange et l'enfant"
4. Lied der Walküre
Froh sah ich dich aufblühn, du freudiger Held, Lang folgt' ich dir schwebend und schweigend gesellt. Oft küßt' ich des Schlummernden Schläfe gelind, Und leise die Locken, die da wehen im Wind. Hoch flog ich zu Häupten, – du kanntest mich kaum – Durch die Wipfel der Wälder, dein Trost und dein Traum. Ich brach vor dem Bugspriet durch Brandung dir Bahn, Vor dem Schiffe dir schwamm ich, weiss-schwingig, ein Schwan. Ich zog dir zum Ziele den zischenden Pfeil, Aufriß ich das Roß dir, das gestrauchelt am Steil. Oft fing ich des Feindes geschwungenes Schwert, Lang hab' ich die Lanzen vom Leib dir gewehrt. Und nun, da die Norne den Tod dir verhängt, Hab' ich dir den schnellsten, den schönsten geschenkt. „Sieg!” riefest du selig, „Sieg, Sieg allerwärts!” Da lenkt' ich die Lanze dir ins herrliche Herz. Du lächeltest leiblich – ich umfing dich im Fall – Ich küsse die Wunde – und nun auf: – nach Walhall!
Text Authorship:
- by Felix Ludwig Julius Dahn (1834 - 1912), "Lied der Walküre"
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
- ENG English [singable] (William Wallace) , "The song of the Valkyr"