Es zieht ein stiller Engel Durch dieses Erdenland, Zum Trost für Erdenmängel Hat ihn der Herr gesandt. In seinem Blick ist Frieden Und milde, sanfte Huld, O folg' ihm stets hienieden, Dem Engel der Geduld! Er führt dich immer treulich Durch alles Erdenleid, Und redet so erfreulich Von einer schönern Zeit. Denn willst du ganz verzagen, Hat er doch guten Muth; Er hilft das Kreuz dir tragen, Und macht noch Alles gut. Er macht zu linder Wehmuth Den herbsten Seelenschmerz, Und taucht in stille Demuth Das ungestüme Herz. Er macht die finstre Stunde Allmählich wieder hell, Er heilet jede Wunde Gewiß, wenn auch nicht schnell. Er zürnt nicht deinen Thränen, Wenn er dich trösten will; Er tadelt nicht dein Sehnen, Nur macht er's fromm und still. Und wenn in Sturmestoben Du murrend fragst: warum? So deutet er nach oben, Mild lächelnd, aber stumm. Er hat für jede Frage Nicht Antwort gleich bereit, Sein Wahlspruch heißt ertrage, Die Ruhstatt ist nicht weit! So geht er dir zur Seite, Und redet gar nicht viel, Und denkt nur in die Weite, An's schöne, große Ziel.
Zehn Lieder , opus 24
by Karl Eduard Hering (1807 - 1879)
1. Geduld
Language: German (Deutsch)
2. Trost der Nacht
Language: German (Deutsch)
Klage nicht, betrübtes Kind, Klage nicht um's junge Leben, Manche süße Lust verrinnt, Doch manch Leid auch wird sie geben. Ist der Tag so schön erwacht Mit der Morgenröthe ferne: Klage nicht, es hat die Nacht Einen Himmel auch und Sterne.
3. Sehet, welch eine Liebe
Language: German (Deutsch)
Sehet, sehet, welche Liebe Hat der Vater uns erzeigt, Sehet, wie er voll Erbarmen Über uns sein Antlitz neigt! Seht, wie er das Allerbeste Für das Allerschlecht'ste giebt, Seinen Sohn für unsre Sünden - Sehet, seht, wie er uns liebt! Sehet, sehet, welche Liebe Unser Heiland zu uns trägt, Wie er alles für uns leidet, Selbst, daß man an's Kreuz ihn schlägt, Wie er da auch noch den letzten Tropfen Bluts für uns vergießt. Sehet, seht, ob das nicht Liebe, Namenlose Liebe ist! Sehet, sehet, welche Liebe Uns erzeigt der heil'ge Geist, Wie er auch den ärgsten Sünder Gern zum Leben unterweis't, Wie er strafend, lehrend, tröstend Immer zu den Menschen spricht! O wer priese solche große, Dreifach große Liebe nicht!
Text Authorship:
- by Karl Johann Philipp Spitta (1801 - 1859)
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Available translations, adaptations or excerpts, and transliterations (if applicable):
4. Am Grabe
Language: German (Deutsch)
Am Grabe stehn wir stille Und säen Thränensaat, Des lieben Pilgers Hülle, Der ausgepilgerthat. Er ist nun angekommen, Wir pilgern noch dahin, Er ist nun angenommen, Der Tod war ihm Gewinn. Er schaut nun, was wir glauben, Er hat nun, was uns fehlt, Ihm kann der Feind nichts rauben, Der uns versucht und quält. Ihn hat nun als den Seinen Der Herr dem Leib entrückt, Und während wir hier weinen, Ist er so hoch beglückt. Er trägt die Lebenskrone Und hebt die Palm' empor, Und singt vor Gottes Throne Ein Lied im höhern Chor. Wir armen Pilger gehen Hier noch im Thal umher, Bis wir ihn wiedersehen, Und selig sind, wie er.
5. Des Christen Kreuz
Language: German (Deutsch)
Des Christen Schmuck und Ordensband Das ist das Kreuz des Herrn, Und wer erst seinen Werth erkannt, Der trägt es froh und gern. Man nimmt's mit Demut, trägt's mit Lust, Und achtet's für Gewinn, Doch trägt man es nicht auf der Brust. O nein, man trägt es drin. Und wenn's auch schmerzt, und wenn's auch drückt, Bleibt man doch glaubensvoll, Man weiß ja wohl, wer's uns geschickt, Und was es wirken soll. Man trägt es auch nur kurze Zeit, Bloß als ein Unterpfand Für das zukünft'ge Ehrenkleid Im lieben Vaterland.
6. Sehet die Lilien auf dem Felde
Language: German (Deutsch)
Du schöne Lilie auf dem Feld, Wer hat in solcher Pracht Dich vor die Augen mir gestellt, Wer dich so schön gemacht? Wie trägst du so ein weißes Kleid Mit gold'nem Staub' besät, Daß Salomonis Herrlichkeit Vor deiner nicht besteht! Gott hob dich aus der Erde Grund, Hat liebend auf dich Acht, Er sendet dir in stiller Stund' Ein Englein bei der Nacht. Das wäscht dein Kleid mit Tau so rein Und trocknet's in dem Wind, Und bleicht es in dem Sonnenschein, Und schmückt sein Blumenkind. Du schöne Lilie auf dem Feld, In aller deiner Pracht Bist du zum Vorbild mir gestellt, Zum Lehrer mir gemacht. Du schöne Lilie auf dem Feld, Du kennst den rechten Brauch, Du denkst: der hohe Herr der Welt Versorgt sein Blümchen auch.
7. Abendfeier  [sung text not yet checked]
Language: German (Deutsch)
Wie ist der Abend so traulich, Wie lächelnd der Tag verschied; Wie singen so herzlich erbaulich [Die Vöglein]1 ihr Abendlied! Die Blumen [müssen wohl schweigen]2, Kein Ton ist Blumen beschert, Doch, stille Beter, neigen Sie alle das Haupt zur Erd'. Wohin ich gehe und schaue, [Ist Abendandacht. Im Strom Spiegelt sich auch der blaue Prächtige Himmelsdom.]3 Und alles betet lebendig Um eine selige Ruh, Und alles mahnt mich inständig: O Menschenkind, bete auch du!
Text Authorship:
- by Karl Johann Philipp Spitta (1801 - 1859)
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View original text (without footnotes)1 Wallnöfer: "die Vögel"
2 Wallnöfer: "müssen schweigen"
3 E. Zumsteeg: "Ist Abendandacht fromm. / Im Strome malt sich der blaue / Der herrliche Himmelsdom."
8. Andacht
Language: German (Deutsch)
Mir ist so wohl in Gottes Haus, Ich kann es gar nicht sagen, Es bricht mein Aug' in Thränen aus, Das Herz fängt an zu schlagen. O Thräne, warum brichst du aus? O Herz, was soll dein Schlagen? Es wird der Geist in's Vaterhaus, Der Leib zur Ruh getragen.
9. Das Lied der Lieder
Language: German (Deutsch)
Es giebt ein Lied der Lieder, Das singst du immer wieder, Wenn du es einmal singen lernst; Kein Mensch hat es ersonnen, Das Lied so reich an Wonnen, Und doch so lehrreich, tief und ernst. Es singt von einer Liebe, Vor der des Lebens Trübe Wie Nebel vor der Sonne flieht. Wie weichen alle Schmerzen, Wenn man so recht von Herzen Anstimmen kann das schöne Lied!
Text Authorship:
- by Karl Johann Philipp Spitta (1801 - 1859), appears in Psalter und Harfe: Zweite Sammlung christlicher Lieder zur häuslichen Erbauung
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Note: the modern spelling of "giebt" is "gibt"10. Bleibet in Jesu
Language: German (Deutsch)
Bleibt bei dem, der eurentwillen Auf die Erde niederkam, Der, um euren Schmerz zu stillen, Tausend Schmerzen auf sich nahm. Bleibt bei dem, der einzig bleibet, Wenn auch Alles untergeht, Der, wenn Alles auch zerstäubet, Siegend überm Staube steht. Alles schwindet; Herzen brechen, Denen ihr euch hier ergabt, Und der Mund hört auf zu sprechen, Der euch oft mit Trost gelabt; Und der Arm, der euch zum Stabe Und zum Schilde ward, erstarrt, Und das Auge schläft im Grabe, Das euch sorgsam einst bewahrt. Alles stirbt; das Ird'sche findet In dem Irdischen sein Grab, Alle Lust der Welt verschwindet Und das Herz stirbt selbst ihr ab. Ird'sches Wesen muß verwesen, Ird'sche Flamme muß verglühn, Ird'sche Fessel muß sich lösen, Ird'sche Blüthe muß verblühn. Doch der Herr steht überm Staube Alles Irdischen und spricht: Stütze dich auf mich und glaube, Hoffe, lieb', und fürchte nicht! Darum bleibt bei dem, der bleibet. Und der geben kann, was bleibt, Der, wenn ihr euch ihm verschreibet, Euch in's Buch des Lebens schreibt.